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Die Ablehnung des Euro-Rettungsschirms ist weder anti-europäisch noch unsolidarisch

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Kommentar

Von Alexander Ulrich, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


DIE LINKE hat in der vergangenen Woche als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag gegen die Erweiterung des sogenannten Euro-Rettungsschirms gestimmt. Dafür sind wir von den anderen Fraktionen als anti-europäisch und unsolidarisch beschimpft worden – obwohl weder das eine noch das andere zutrifft.


Mit dem Euro-Rettungsschirm wird keine solidarische Politik gemacht, im Gegenteil: Länder, die Geld aus dem Rettungsschirm bekommen, werden im Gegenzug zu einer Politik des sozialen Kahlschlags gezwungen, die auf demokratischem Wege niemals durchsetzbar wäre. So wurde Griechenland beispielsweise diktiert, die Renten zu kürzen, die öffentlichen Investitionen um 1,2 Mrd. Euro zu senken, den Kündigungsschutz zu lockern, tausende von Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen, die Mindestlöhne zu senken, Privatisierungen in bisher ungekanntem Ausmaße durchzuführen und und und. Mit dem Rettungsschirm werden somit die Krisenkosten auf die Beschäftigten, Rentner, Arbeitslosen, Studierenden und sozial Schwachen abgewälzt, die wahren Verursacher und Profiteure der Krise werden geschont. Der Euro-Rettungsschirm rettet somit vor allem Banken und Spekulanten.    Dies ist nicht nur unsolidarisch, sondern auch ökonomisch unsinnig, wie das Beispiel Griechenland zeigt: Die von IWF und EU diktierten Kürzungsmaßnahmen haben nicht nur weite Teile der Bevölkerung in Arbeitslosigkeit und Armut getrieben, sondern auch die Wirtschaft einbrechen lassen. Auf diese Weise sinken die Schulden nicht, sondern steigen – wegen der sinkenden Steuereinnahmen und der steigenden Sozialausgaben. Dass Frau Merkel nun zu noch stärkeren Sparanstrengungen aufruft, kann man nur noch als zynisch bezeichnen. Der Euro-Rettungsschirm ist ein Rettungsring aus Blei, er verschlechtert die Lage der betroffenen Länder, anstatt ihnen zu helfen. Den Rettungsschirm abzulehnen ist deshalb solidarisch und pro-europäisch.

Die Finanzmärkte endlich regulieren   Das Gleiche gilt für unsere Vorschläge zur Überwindung der Krise. Zentrale Elemente sind zum einen die Beendigung der Spekulation: Die Finanzmärkte müssen endlich so reguliert werden, dass sie die Staaten nicht länger erpressen können. Hierzu gehört u.a. die Schaffung einer Europäischen Bank für öffentliche Anleihen, bei der sich Staaten, die auf den Finanzmärkten nur noch zu Wucherzinsen Geld bekämen, finanzieren können.

Zum Zweiten müssen diejenigen zur Kasse gebeten werden, die die Krise verursacht und von ihr profitiert haben. Das sind die Reichen und Superreichen, die von der Bankenrettung und der Zockerei auf den Finanzmärkten profitiert und ihr Vermögen in der Krise somit sogar noch erhöht haben. Sie müssen über eine europaweite Vermögensabgabe an den Krisenkosten beteiligt werden.

Gleiches gilt für die Banken, die direkt nach ihrer Rettung angefangen haben, gegen die zu ihrer Rettung aufgenommenen Schulden zu spekulieren. Sie müssen durch eine wirksame Bankenabgabe herangezogen werden. Eine Finanztransaktionssteuer würde sowohl die Spekulation eindämmen als auch die Spekulanten an den Krisenkosten beteiligen. Bei überschuldeten Ländern fordern wir ein transparentes, gerechtes Entschuldungsverfahren, das die Gläubiger gemäß ihrer Verantwortung und ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit am Abbau der Schulden beteiligt. Überdies muss diesen Ländern durch ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm dabei geholfen werden, auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzukehren.

Zum Vorteil der Beschäftigten in Deutschland und anderen EU-Ländern   Schließlich müssen die wahren Ursachen der Krise bekämpft werden, die in der fehlerhaften Konstruktion der Eurozone liegen. Durch den Wegfall des Wechselkursmechanismus sind die Leistungsbilanzungleichgewichte immer größer geworden. Um sie auszugleichen, brauchen wir eine europäische Ausgleichsunion, die auch Länder wie Deutschland dazu zwingt, ihre Politik zu ändern. Anstatt durch Lohn- und Steuerdumping immer höhere Exportüberschüsse zu erzielen, muss Deutschland zum Beispiel den Niedriglohnsektor austrocknen und einen gesetzlichen Mindestlohn einführen – zum Vorteil der Beschäftigten in Deutschland und in allen anderen EU-Ländern.   Die Europäische Union hat nur dann eine Zukunft, wenn die Krise sozial gerecht, wirtschaftlich vernünftig und demokratisch gelöst und die Union insgesamt grundlegend neu ausgerichtet wird. Das Europa der Banken und Konzerne muss endlich zu einem Europa der Menschen werden. Da die derzeitige Euro-Rettung genau in die entgegengesetzte Richtung weist, kann DIE LINKE als pro-europäische Partei hier nicht zustimmen.

linksfraktion.de, 5. Oktober 2011