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Deutschland schützt die Mörder von Serben

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Interview der serbischen Tageszeitung "Vesti" mit Sevim Dağdelen vom 26. Juli 2011

Im deutschen Fernsehen wurde am 13. Juli 2011 die ZDF Reportage "Blutige Geschäfte: Auf den Spuren des Organhandels im Kosovo" ausgestrahlt. Eine der Befragten war Sevim Dağdelen, Mitglied des Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. Sie kritisiert seit langem die deutsche Politik auf dem Balkan und hat vor kurzem den Abzug der Bundeswehr aus dem Kosovo und die Beendigung der KFOR-Mission gefordert. Die serbische Tageszeitung "Vesti" führte dazu ein Interview mit ihr.

  Wie ist es dazu gekommen, dass ausgerechnet Sie sich mit dem Thema über Kriegsverbrechen und Organhandel im Kosovo beschäftigt haben?    Sevim Dağdelen: Als deutsche Parlamentarierin stehe ich gegenüber den Menschen auf dem Balkan in besonderer Pflicht. Die dort von deutscher Großmacht- und Mitteleuropapolitik verursachten Leiden der Menschen, insbesondere der Roma, Juden und Serben, die bereits zwei Mal von deutschen Soldaten überfallen und gemordet wurden, verstehe ich als Mahnung und Verantwortung. Die Verbrechen von 1941 bleiben bis heute ungesühnt und die Opfer ohne Entschädigung, genauso wie die Kriegsverbrechen der NATO und Deutschlands bei dem völkerrechtwidrigen Überfall auf Jugoslawien im Frühjahr 1999. Die internationale Gemeinschaft aber auch deutsche Gerichte weisen leider, das zeigt auch das Vavarin-Entschädigungsverfahren, jegliche Verantwortung von sich. Gleiches gilt leider auch für die unter den Augen der KFOR und deutscher Soldaten verübten Verbrechen der UCK, die nach dem Rückzug der jugoslawischen Truppen aus dem Kosovo begangen wurden. Es gibt genügend Berichte von Zeugen, die u.a. der Fonds za humanitarno pravo gesammelt hat, nach denen die UCK Entführungen von serbischen Zivilisten in unmittelbarer Nähe der KFOR durchführen konnte.    Die Bundesregierung hat auf Ihre Frage nach Kriegsverbrechern der UCK geantwortet "es handele sich um eine innere Angelegenheit des Kosovo"?   Die Antwort der Bundesregierung auf meine Kleine Anfrage ist ein Skandal für sich. Es wird deutlich, dass die Bundesregierung nach wie vor kein Interesse an einer echten Aufarbeitung der Verbrechen der UCK hat. Heute sind die mutmaßlichen Täter von damals durch die maßgebliche Unterstützung Deutschlands zu diplomatischen Ehren erhoben worden. So ist es möglich, dass der Sonderermittler des Europarates, Dick Marty, nach der Veröffentlichung seines wichtigen Berichts über den Organhandel und die Verstrickung des sogenannten Premierministers Hashim Thaçi und seiner Kollegen in diese Verbrechen, Morddrohungen erhält. Gleichzeitig kann Thaçi neben Ramush Haradinaj und Xhavit Haliti, die bereits 2005 in einem Bericht des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) als drei Schlüsselfiguren bezeichnet wurden, die im Kosovo als Verbindungsglieder von ‚organisierter Kriminalität' und Politik funktionieren, als Diplomaten hofiert werden.   Hinweise über die grausamen Verbrechen, wie die illegalen Organentnahmen, Folter und Morde an den Serben auf dem Kosovo, existieren bereits. Warum wurde Ihrer Meinung nach der Bericht der UN-Ermittler jahrelang ignoriert, sowohl von den Deutschen als auch von den anderen Ländern?   Die Bundesregierung ignoriert nach wie vor die Untersuchungs-Ergebnisse des UNMIK-Berichts von 2003. Dabei stand die UN-Mission bereits zwei mal unter Leitung deutscher Diplomaten. Sie ignoriert auch eigene Berichte des Bundesnachrichtendienstes (BND). Bereits 2005 wies der BND detailliert auf die Einbindung hochrangiger kosovarischer Politiker in Strukturen der Organisierten Kriminalität und deren Rolle bei den 'Sonderaktionen' gegen die serbische Bevölkerung in der serbischen Teil-Provinz Kosovo hin. In die kriminellen Machenschaften ist laut BND auch Hashim Thaçi verstrickt. Er soll Anführer einer mafiösen kriminellen Vereinigung unter dem Namen "Drenica Group" sein. Es ist dabei hervorhebenswert, dass das US State Departement noch im Jahre 1998 die UÇK auf der Liste von ausländischen terroristischen Organisationen führte, die sich über Drogenhandel finanzieren.   Würde eine Überprüfung der deutschen Balkan-Politik die Legitimität des Kosovo-Staates in Frage stellen?   Die Berichte über Kriegsverbrechen im Kosovo zeigen, dass die Bemühungen der EU und Deutschlands um Demokratie und Staatsaufbau gescheitert und verlogen zugleich sind. Die in der Geschichte der EU-Außenpolitik beispiellos verpulverten Milliarden zugunsten einer offenkundig kriminellen Machtelite, die durch die Anerkennungspolitik Deutschlands diplomatische Immunität erlangt hat, brachte wohl nicht den Export von Rechtstaatlichkeit in die Region, sondern vielmehr den Import von Korruption und Straflosigkeit. Dabei bricht man auch schlicht das Völkerrecht und interpretiert sich das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zurecht, denn nach wie vor gilt die UN-Resolution 1244, welche sich zur "Souveränität und Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien" bekennt und damit auch zur territorialen Integrität des Nachfolgestaates, der Republik Serbien. Damit schafft allen voran Deutschland einen gefährlichen Präzedenzfall, der neue Unabhängigkeitskonflikte nach sich ziehen wird. Am Ende steht da eine neue Politik der kolonialen Grenzziehung, zunächst im Kosovo und bald vielleicht auch in Libyen. Was da noch für (Bürger-)Kriege auf uns zukommen, daran möchte man gar nicht denken.   Sie werden sich dafür einsetzen, dass Herr Dick Marty in den Deutschen Bundestag eingeladen wird. Was meinen Sie damit zu erreichen?    Die in dem UNMIK-Bericht enthaltenen Zeugenaussagen und die umfangreiche Untersuchung des Sonderermittlers des Europarates Dick Marty müssen endlich von der Bundesregierung zur Kenntnis genommen und die belastenden Beweise gegen zahlreiche namentlich genannte Politiker überprüft werden. Deshalb ist es wichtig, dass Herr Marty im Deutschen Bundestag sprechen kann. Das Schweigen über die offensichtlichen Leichen im Keller der deutschen Außenpolitik muss ein Ende haben.