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Der nächste Krisengipfel kommt bestimmt

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

Kommentar

Von Michael Schlecht, Chefsvolkswirt der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Gerade noch wurde Ende September der EU-Rettungsschirm, im Kürzel EFSF genannt, gegen die Stimmen der Linken auf 440 Milliarden aufgestockt. Wenige Wochen später war klar, dass er zu klein ist.

Von den 440 Milliarden Euro sind wegen der Zusagen an Portugal und Irland sowie der jetzt zusätzlich versprochenen 100 Milliarden an Griechenland noch 250 Milliarden verfügbar. Da die Spekulation gegen Spanien und vor allem Italien immer bedrohlicher wird, besteht Handlungsbedarf.

Die EZB hat seit dem Sommer für 100 Milliarden italienische Staatsanleihen gekauft und die Zinsen damit zunächst auf fünf Prozent gedrückt. Trotzdem sind sie jetzt wieder auf sechs Prozent gestiegen. Damit wird die Zinslast für Italien immer drückender und kaum tragbar. Das Land steht auf der Kippe.

2012 muss Italien von seinen 1,9 Billionen Euro Staatsschulden 260 Milliarden umschulden. In Spanien werden 2012 rund 120 Milliarden Kredite fällig. Beide Länder haben bis 2015 einen Refinanzierungsbedarf von rund einer Billion Euro.

Das Euro-Haus brennt lichterloh. Deshalb wird jetzt die Kriegskasse des EFSF von 440 Milliarden auf eine Billion Euro aufgeblasen. Das schlimme ist, dass das mit finanziellen Tricksereien gemacht wird. Die Bundesregierung und die EU beginnen, selbst auf den Finanzmärkten zu zocken. Ob die Steigerung der Feuerkraft des Rettungsschirms gelingt, steht – wie beim Glücksspiel – in den Sternen. Jedoch wird auch das letztlich nicht reichen, da mittlerweile andere Länder, selbst Frankreich in das Visier der Spekulanten geraten. Der nächste Krisengipfel wird kommen.

In Griechenland musste die Troika feststellen, dass die Planungen nicht eingehalten werden und alles aus dem Ruder läuft. Kein Wunder, denn den Hellenen wurde ein Rettungsring aus Blei übergeworfen. In der Folge rauscht die Wirtschaft mit erzwungenen Lohn-, Renten und Sozialkürzungen in den Abgrund.

Im Oktober war das im Sommer aufgelegt „Hilfspaket“ bereits wieder überholt. Bis Ende 2011 soll jetzt ein freiwilliger Schuldenschnitt auf 50 Prozent für private Investoren vereinbart und ein weiteres Rettungspaket von 100 Milliarden aus dem EFSF bereitgestellt werden.

Ein Schnitt von 50 Prozent ist ein Geschenk für die Investoren. Am Markt wurden zehnjährige griechische Anleihen im Oktober nur noch mit einem Kurs von 30 bis 40 Prozent gehandelt. Banken, Hedge-Fonds und Versicherungen erhalten für die Bereitschaft zum Schuldenschnitt neue Anleihen in Höhe von 50 Prozent, die vom EFSF garantiert werden. In Zukunft werden nur noch die Steuerzahler haften. Außerdem werden 30 Milliarden an Hilfen für Banken bereitgestellt.

Ohne die Freiwilligkeit bei der Gläubigerbeteiligung würden Kreditausfallversicherungen fällig – ein weiterer unkalkulierbarer Brandherd. Außerdem würden die Finanzhaie in Panik geraten und die Zinsen für Italien und Spanien in den Himmel schießen! Ein bisschen droht dies jetzt auch bei der freiwilligen Gläubigerbeteiligung, denn Banken, zum Beispiel die Commerzbank werden ihre Anlagen in Staatsanleihen runterfahren. Das treibt die Zinsen und heizt die Krise an.

linksfraktion.de, 1. November 2011