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Der Ausverkauf Griechenlands ist ein Angriff auf die Demokratie

Nachricht von Herbert Behrens,

"Finanzielles Waterboarding": Herbert Behrens (3.v.l.) über die Privatierungen in Griechenland

 

Milliardäre, Banken und Konzerne machen ein Schnäppchen, während die Beschäftigten die verheerenden Folgen aushalten müssen: Am Montag hat die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag ein Fachgespräch auf Initiative von Herbert Behrens über die im dritten Memorandum vorgesehene Privatisierungen in Griechenland durchgeführt. Mehrere Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus Griechenland sowie Alexis Passadakis von attac referierten.

Die Kolleginnen und Kollegen aus Griechenland berichteten, dass der Privatisierungszwang den öffentlichen Sektor Griechenlands völlig aufzulösen droht. So sollen die Post, die Eisenbahn, profitable Flughäfen, die Wasserversorgung, die staatlichen Energieunternehmen, u.a. die Häfen von Piräus und Thessaloniki, die Autobahn und zahlreiche staatliche Immobilien verscherbelt werden. Ein Privatisierungsfonds unter Aufsicht der EU soll weitere Betriebe und Immobilien verscherbeln.

Entlassungen, Niedriglöhne und Betriebsunfälle

Anastasia Frantzeskaki, Vorstandsmitglied der Hafenarbeiter_innengewerkschaft OMYLE, berichtete über die Arbeitsbedingungen im Containerbetrieb des chinesischen Konzerns Cosco, das seit 2009 einen Teil des Containerterminals des Hafens von Piräus erworben hat: „Cosco’s Anlagen sind berüchtigt für ihre ausbeuterische Arbeitsbedingungen. Betriebsunfälle sind ein alltägliches Phänomen. Die übergroße Mehrheit der Beschäftigten arbeitet in Teilzeit und auf Abruf. Aus ihren ohnehin niedrigen Löhnen bekommen zwei oder drei Subunternehmen ihren Anteil. Diese Zustände versuchen wir mittels Streiks und Bündnissen mit der lokalen Bevölkerung und der Regionalregierung im restlichen Hafen zu verhindern.“

Der Generalsekretär der griechischen Eisenbahngewerkschaft POS Kostas Genidounias sagte, dass die Privatisierung der Eisenbahngesellschaft OSE seit Anfang der 2002 vorbereitet wird: „Mit dem ersten Memorandum von 2010 sind unsere Gehälter um 50 Prozent gekürzt und mehr als 3000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in anderen Bereiche des öffentlichen Dienstes transferiert. Die besten Fachkräfte sind nun als Krankenhaus- oder Museumswächter eingestellt. Die darauffolgenden Personalengpässe führen dazu, dass Lokführerinnen und Lokführer bis zu 29 Tage im Monat und 9 oder 10 Stunden am Tag arbeiten.“ Nun will der Privatisierungsfonds OSE für einen lächerlichen Preis verkaufen: „Obwohl die Gesellschaft garantierte Verträge für die nächsten 5 Jahre in Höhe von 250 Millionen Euro hat, schätzt der Fonds den Wert unserer Eisenbahn auf lediglich 30 Millionen.“

Flora Papadede, Mitglied des Exekutivkomittees der Gewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter_innen GENOP DEI, hat im öffentlichen Elektrizitätskonzern den wirtschaftlichen Zusammenbruch Griechenlands besonders deutlich erlebt: „Die Zerstückelung und Privatisierung von DEI kann nur zu Preissteigerungen und Bereicherung privater Stromhändler führen. 360.000 Haushalte sind bereits wegen Zahlungsunfähigkeit vom Stromnetz abgeschaltet und leben ohne Elektrizität. Weitere 1,8 Millionen Haushalte haben Schulden bei DEI und sind von Abschaltung bedroht. Das entspricht zwei Drittel der Bevölkerung. Wir fordern den Erhalt von Strom als öffentliches Gut in öffentlicher Hand, damit unsere Werke ein Werkzeug des Wiederaufbaus sein können.“

Milliardäre, Banken und Konzerne profitieren

Alexis Passadakis von attac zeigte auf, wer von den Privatisierungen profitiert. „Die Privatisierungen kommen vor allem Milliardären wie Dimitris Melissanidis, Banken und spekulativen Fonds wie Citibank und Blackstone sowie staatlichen Konzernen wie Fraport und Cosco zugute. Bei der Austeritätspolitik der Bundesregierung und der sogenannten Institutionen geht es nicht um die Zahlungsfähigheit Griechenlands, sondern um die Steigerung Wettbewerbsfähigkeit der EU im Weltmarkt und um ein neoliberales Herrschaftsprojekt. Zu dem Zweck ist Griechenland am 12. Juli zur Kolonie der Troika gemacht worden.“

Die anwesenden MdB bestätigten Passadakis‘ Analyse. „Die Auflagen für Griechenland sind ein Angriff auf die Demokratie", sagte Andrej Hunko, Mitglied im EU-Ausschuss des Bundestages. „Es geht um Umverteilung von unten nach oben und die Vorherrschaft im Weltmarkt. In parlamentarischen Gremien höre ich immer wieder von geplanten Privatisierungsräten in anderen Ländern der EU.“ Nach Einschätzung von Herbert Behrens, Obmann im Verkehrsausschuss für DIE LINKE, dient der Ausverkauf in Griechenland als Blaupause für den Rest Europas: „Auch anderswo sollten Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge privatisiert werden. Das Finanzkapital braucht dafür heutzutage keine Staatsstreiche mehr, sondern setzt finanzpolitisches Waterboarding ein.“ Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, kritisierte den Abbau von Arbeitnehmerrechten: „In Griechenland wird vieles umgesetzt, was ich in Deutschland auch kritisiere. Da nenne ich Leiharbeit, Rente mit 67, Befristungen und Streichung von Tarifverträgen. Nur geht es in Griechenland superschnell.“

linksfraktion.de, 3. November 2015