Zum Hauptinhalt springen

Den Islamischen Staat bekämpfen, wo er verwundbar ist

Im Wortlaut von Jan van Aken,

 

Von Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Nach den grausamen Anschlägen von Paris am 13. November dominiert – wieder einmal – der Ruf nach militärischen Antworten auf den Terror. Dass nun ausgerechnet dieselbe Medizin gegen den Islamischen Staat (IS) helfen soll, die in Afghanistan, im Irak, in Somalia versagt und den IS erst hervorgebracht hat, kann niemand vernünftig begründen. In Afghanistan waren sich nach 13 Jahren Krieg alle einig, dass die Taliban nicht militärisch besiegt werden können. Für den IS gilt genau das gleiche. Deshalb stellt sich natürlich die Frage, wie sonst der IS entscheidend geschwächt werden kann.

Wer den IS-Terror bekämpfen will, muss seine Finanzquellen aufspüren und kappen. Denn auch der IS kommt nicht ohne finanzielle Mittel aus. Er muss seine Anhänger und deren Familien bezahlen, er muss Waffen, Fahrzeuge und anderes Material beschaffen und unterhalten, er braucht finanzielle Mittel für das von ihm ausgerufene Kalifat, das ohne ein Mindestmaß an "staatlicher" Infrastruktur keine drei Tage überleben könnte.

Regierung redet und tut wenig

Selbst die Bundesregierung spricht seit Jahren davon, dass man die Finanzierungs- und Einnahmequellen des IS austrocknen müsse. Allerdings hat sie bisher kaum etwas unternommen, um wenigstens die Terrorfinanzierung in ihrem eigenen Einflussbereich einzudämmen. Dabei hätte sie schon seit Jahren international diplomatisch – aber auch hier bei uns, gesetzgeberisch – einiges auf den Weg bringen können, um den IS entscheidend zu schwächen.

Eine wichtige Einnahmequelle des IS ist zum Beispiel der Handel mit geraubten antiken Kunstwerken. Sie können bis heute fast unkontrolliert auf den weltweiten Kunstmärkten gehandelt werden – auch in Deutschland. Eine Gesetzesänderung, die sicherstellt, dass nur Kunstgüter nach Deutschland eingeführt und hier gehandelt werden dürfen, die über eine offizielle Ausfuhrlizenz des Herkunftslandes verfügen, ist längst überfällig, wurde aber bis heute nicht verabschiedet. Skrupellose Kunsthändler, Sammler und den IS dürfte es freuen, die Bundesregierung sollte aber tunlichst dafür sorgen, dass der Handel mit und der Kauf von geraubten und illegal erbeuteten Kunstwerken in Deutschland nicht mehr als Kavaliersdelikt behandelt wird.

Den Ölhandel konsequent unterbinden

Trotz gefallener Ölpreise und sinkender Förderquoten soll der IS bis heute monatlich mehrere Millionen US Dollar über den Verkauf von Erdöl einnehmen. Ein Teil des Öls wird für den Eigenbedarf verwendet, der Rest über Schmugglernetzwerke innerhalb des Iraks, aber vor allem in die Türkei verbracht und dort auf dem Schwarzmarkt verkauft. Die unternimmt aber nichts, um den illegalen Ölhandel schon an den Grenzen zu stoppen. Während wichtige Hilfsgüter die Grenze nach Syrien nicht passieren dürfen, geht die Einfuhr illegaler Öltransporte in die Türkei ungehindert weiter. Die Bundesregierung kann noch nicht einmal ausschließen, dass über diesen Weg auch Empfänger in den Mitgliedstaaten der EU mit IS-Öl beliefert werden. Anstatt den türkischen Präsidenten Erdogan zu hofieren, sollte sie endlich Druck auf die türkische Regierung ausüben, jegliche Unterstützung des IS zu beenden – und den Ölhandel konsequent zu unterbinden.

Während private Geldspenden, die in bar und über das traditionelle Hawala-System an den IS geleitet werden, schwer zu verfolgen und zu unterbinden sind, können Zahlungen, die über Banken erfolgen, besser kontrolliert und verfolgt werden. Allerdings muss dies auch konsequent durchgeführt werden.  Die Bundesregierung hat zwar die einschlägigen UN-Resolutionen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung ratifiziert und Maßnahmen für Zahlungstransfers entsprechend einer EU Verordnung ergriffen, allerdings gibt es noch nicht einmal einen Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten über ermittelte Daten und über die jeweilige Umsetzung der EU-Verordnung. Damit ist nicht auszuschließen, dass schon durch Geldtransfers innerhalb der EU Spuren Verdächtiger verwischt und Finanzierungswege undurchsichtig gemacht werden.

Eine nicht-militärische Strategie

Jedes Jahr aufs Neue hören wir, dass endlich energisch gegen die Geldquellen des IS vorgegangen werden muss – zuletzt wieder auf dem G20-Gipfel in Antalya, direkt nach den Angriffen in Paris. Aber tatsächliches, praktisches Handeln sehen wir auf diesem Gebiet kaum. Ich selbst war Anfang des Jahres in Katar und musste mit Erschrecken feststellen, dass die dortige deutsche Botschaft noch nicht einmal wusste, wer in der katarischen Regierung überhaupt für religiöse Stiftungen – über die wohl auch Geldflüsse an Islamisten in Syrien abgewickelt werden – zuständig ist. Offenbar schaut die Bundesregierung bei so wichtigen Verbündeten wie Katar lieber weg, liefert stattdessen zur Gewissensberuhigung ein paar Gewehre an die Kurden und lässt am Ende die Menschen in den Folterknästen des IS allein.

Den IS von seinen Finanzierungs- und Einnahmequellen abzuschneiden, ist notwendig, kann aber nur Teil einer umfassenden nicht-militärischen Strategie sein. Ein Ende des IS-Terrors ist ohne eine politische Lösung zur Beendigung des Krieges in Syrien derzeit undenkbar. Ebenso wichtig wird es sein, den IS ideologisch zu schwächen. Der IS zieht seine Stärke auch aus der Erzählung, dass der Westen sich auf einem "Kreuzzug" gegen Muslime befindet – und zurzeit wird diese Erzählung leider tagtäglich bestätigt, durch die Kriegsrhetorik des Westens und die Ausweitung der Militäreinsätze in Syrien. Bekämpfen wir den IS da, wo er verwundbar ist – beim Geld, beim Zufluss von Kämpfern und Waffen, und ideologisch. Aber nicht militärisch!
 

linksfraktion.de, 20. November 2015