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Demokratische Handlungsfähigkeit zurückgewinnen!

Im Wortlaut von Jan Korte,

                                                                                       Karikatur: Harm Bengen

 

Von Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

Schon ein Blick auf die Verhandlungen um TTIP ist aus demokratischer Sicht zum Grausen. Geheime Vertragstexte, geheime Verhandlungen, geheime Einflussnahme von Lobbyisten. Das alles zeugt von einem eigenartigen Demokratieverständnis.

Hier endet der undemokratische Charakter dieses Abkommens aber keineswegs. Die Gesetzgebung soll künftig unter den Vorbehalt der Handels- und Investitionsfreundlichkeit gestellt werden. Es gilt nicht das Primat der Politik, sondern das Primat des Profits. Ein gemeinsamer Ausschuss der Regierungen, in dem auch die Wirtschaftsvertreter gehört werden, soll demnächst prüfen, ob mit einem Gesetzesvorhaben Handel und internationale Investitionen gehemmt werden. Strengeren Umweltstandards oder schärferen Regeln zum Datenschutz können die Konzerne über diesen Hebel einen Riegel vorschieben. Die Gesetzgebung wird somit nicht mehr von demokratischen Mehrheiten in Parlamenten, sondern von Entscheidungen eines intransparenten Gremiums abhängen.

Paralleljustiz verhindern

Um unliebsame, angeblich „investitionsfeindliche“ Entscheidungen von Regierungen auch im Nachhinein revidieren zu können, sollen internationale Schiedsgerichte geschaffen werden. Egal, wie sie zusammengesetzt werden: Es entsteht eine Paralleljustiz ohne jede demokratische Legitimation, der Rechtsstaat wird ausgehebelt. Schon mit dieser Paralleljustiz zu drohen, kann ausreichen, um Regierungen unter Druck zu setzen. Das zeigt die bisherige Erfahrung mit solchen Gerichten. 2011 endete eine Klage Vattenfalls gegen die Hamburger Umweltbehörde vor einem solchen Schiedsgericht mit einem Vergleich: Das Land musste die Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg entschärfen.

Es sind vor allem Kommunen, die durch solche Verfahren unter Druck geraten. Sie sind ein wichtiger Ort gelebter Demokratie. Durch die Privatisierung der Wasserwerke und anderer Betriebe der Daseinsvorsorge wurde die Handlungsfähigkeit der Kommunen schon in den letzten Jahrzehnten massiv beschnitten. Viele haben daraus den richtigen Schluss gezogen und übernehmen solche Betriebe wieder in Eigenregie. TTIP enthält aber Klauseln, mit denen die Rücknahme von Privatisierungen behindert werden. Auch sonst wird der Spielraum für die Kommunen weiter beschnitten. Selbst kleine Beschaffungen müssten künftig transatlantisch ausgeschrieben werden. Die lokale Wirtschaft mit öffentlichen Aufträgen zu stärken, wird nicht mehr möglich sein. Auch Quersubventionen zwischen rentablen und unrentablen Betrieben werden verboten. Umweltauflagen werden als Handelshemmnisse zur Seite geräumt. Kommunen, die nichts mehr zu steuern haben, sind kein Ort von Demokratie mehr. Die Politikverdrossenheit wird noch weiter zunehmen.

Damit Bürgerinnen und Bürger etwas zu entscheiden zu haben

Dagegen will die LINKE politische Entscheidungsspielräume zurückgewinnen. Dazu gehört die Rekommunalisierung von Betrieben der Daseinsvorsorge. Dazu gehört die Möglichkeit, die öffentliche Auftragsvergabe an soziale und ökologische Standards zu knüpfen. Damit Bürgerinnen und Bürger auch etwas zu entscheiden haben, wenn sie zur Wahl gehen.

linksfraktion.de, 9. Oktober 2015