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Daten sind zu einer reinen Ware verkommen

Interview der Woche von Jan Korte,

In den letzten Wochen häufen sich die Vorfälle von der Datenschutzskandalen. Wie ist so etwas möglich, wird doch in Deutschland der Schutz sensibler Daten seitens der Bundesregierung angeblich immer wieder betont?

Datenschutz ist immer noch ein Randthema für diese Bundesregierung. Die Bundesregierung selber ist das schlechteste Vorbild für den Datenschutz: Ich sage nur Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung oder die biometrischen Merkmale in Pässen und dem Personalausweis. Diese Regierung ist in Datensammelwut und daher ein schlechtes Vorbild für die Privatwirtschaft, wo dringend Handlungsbedarf besteht. Diese Regierung hat trotz vielfacher Mahnungen und Anträgen verschlafen ein modernes Datenschutzrecht zu realisieren.

Sie sagen, es sei zu befürchten, dass es sich bei den aktuellen Fällen nur um die Spitze des Eisberges handele. Gibt es dafür Anhaltspunkte?

Ich erinnere nur an den Telekom- und Lidl-Skandal. Wir sehen wirklich nur die Spitze des Eisberges. Daten sind zu einer reinen Ware verkommen mit der kräftig verdient werden kann, ohne das dies bis dato massiv bekämpft wurde. Das Kernproblem bei jeder Erhebung von Daten, sei sie staatlich oder privatwirtschaftlich, ist, dass es zum Missbrauch, Austausch und Handel geradezu auffordert. Daher ist der Grundsatz beim Datenschutz ja die Datensparsamkeit. Dahin müssen wir kommen.

Viele Bürgerinnen und Bürger meinen, dass das Thema Datenschutz für sie nicht relevant sei, weil sie nichts zu verbergen hätten.

Der aktuelle Skandal zeigt wie schnell jeder Bürger von fehlendem Datenschutz betroffen sein kann. Der Glaube »ich habe ja nichts zu verbergen« endet ganz schnell, wenn man persönlich betrogen wurde, wenn man versehentlich in eine Anti-Terror-Datei gerät, wenn man am Arbeitsplatz ausspioniert wird oder wenn einem die plötzlich Kontoeröffnung verwehrt werden. Zudem gibt es das Recht auf Privatssphäre, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Übersetzt heisst dies: Jeder Bürger muss selber entscheiden können, wie viel Informationen er über sich und sein Leben öffentlich macht und an Dritte weitergibt. Sie möchten ja auch nicht ihre Steuererklärung oder ihre Krankenakte veröffentlichen - auch wenn Sie nichts zu verbergen haben.

Die Bundesregierung bringt die Aufweichung des Datenschutzes immer wieder mit dem Schutz vor terroristischen Anschlägen in Verbindung. Angesichts des jüngst bekannt gewordenen Datenhandels ist das doch eine Farce. Wenn Terroristen an sensible Daten kommen wollen, müssten sie sich nur an einen Datenhändler wenden?

Richtig. Die Bundesregierung hat die grundrechtsfeindliche Politik von Rotgrün verschärft fortgesetzt. Die immer gleiche Begründung: Dies und jenes ist notwendig, um im Kampf gegen den Terror zu bestehen. Es ist ja unbestritten, dass es diese Gefahr gibt. Aber diese Regierung gibt keine realistische Auskunft wie groß die Gefahr ist. Das beste Beispiel sind die biometrischen Merkmale: Fast alle Wissenschaftler, Experten und Sachverständige einer Anhörung des Innenausschusses machten darauf aufmerksam, dass die Einführung biometrischer Merkmale die Sicherheit der Ausweisdokumente verschlechtere - trotzdem wurde dies beschlossen. Der Grund liegt in der Datensammelwut von Minister Schäuble und der Großen Koalition.

Wenn man bedenkt, dass in diesen Wochen die sogenannte elektronische Steuernummer eingeführt wird und bald soll es auch die GesundheitsEcard geben- alle diese Daten sollen Erleichterungen und Entbürokratisierung schaffen - fragt sich für wen?

Mit den geplanten Maßnahmen erreicht der Staat ein Datensortiment mit dem er jeden einzelnen Bürger von der Wiege bis zur Bahre beobachten kann und unzählige Informationen bekommen kann. Bedenkt man, welch andere Datensammelstellen es gibt und wieweit die technischen Möglichkeiten - etwa von Verknüpfungen fortgeschritten- sind kann einem Angst und Bange werden. Es ist an der Zeit einmal inne zu halten und darüber zu diskutieren in was für einem Staat wir eigentlich leben wollen. Diese Richtung gefällt der LINKEN gar nicht und wir wollen eine grundlegende Richtungsänderung in der Innenpolitik, die ohne Angstmacherei auf eine mündige Gesellschaft setzt.

DIE LINKE fordert nicht erst seit dem jüngsten Skandal die Gesetzgebung zum Datenschutz grundlegend zu verändern. Was aus Ihrer Sicht zu tun?

DIE LINKE hat gerade einen wesentlichen Antrag in den Bundestag eingebracht: Wir fordern dort ein Moratorium für alle beschlossenen und geplanten Gesetze im Sicherheitsbereich, die den Datenschutz und die Grundrechte tangieren. DIE LINKE will damit erreichen, dass einmal grundsätzlich über Datenschutz und ie Relevanz der offenen Gesellschaft diskutiert wird. Außerdem fordern wir eine Überprüfung aller Gesetze zusammen mit Datenschützern,Bürgerrechtsorganisationen, Journalistenverbänden, Gewerkschaften und vielen anderen. Eine Evaluation, die vom Innenministerium selber vorgenommen wird, wie etwa beim Terrorismusbekämpfungsgesetz geschehen, ist einfach nur lächerlich. Außerdem brauchen wir endlich ein modernes Datenschutzrecht, eine anderes Bewusstsein für die Wichtigkeit des Datenschutzes. Datenschutz gehört zum Kernbereich einer intakten Demokratie.

Wie sehen sie die Chancen, angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag, dass sich die Bürgerinnen und Bürger künftig auf den Schutz ihrer privaten Daten verlassen können?

Die Große Koalition machte keine Anstalten eine andere Politik zu machen. Sie lässt sich von den Hardcore-Law-And-Order-Fraktion der CDU/CSU jede Woche erneut vorführen. Hier sehe ich kaum Chancen. Wichtig ist daher, dass die Bürgerinnen und Bürger selber vorsichtig mit ihren Daten umgehen und sich endlich dieser Innenpolitik von Schäuble und Co. entgegenstellen. Erste Gelegenheit dazu hat man am 11. Oktober auf der bundesweiten Demo gegen die Online-Durchsuchung in Berlin. DIE LINKE wird dabei sein und natürlich besonders im Bundestag weiter für den Datenschutz und den Ausbau der demokratischen Mitbestimmung streiten.

linksfraktion.de, 26.August 2008