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"Das ist der Einstieg in ein Kriegsszenario"

Im Wortlaut von Norman Paech,

Der Bundestag wird morgen über die Entsendung von Aufklärungs-Tornados nach Afghanistan entscheiden. Der Abgeordnete der Linken und Völkerrechtler Norman Paech hält einen solchen Bundeswehr-Einsatz für völkerrechtswidrig.

Wie stehen Sie zu dem Tornado-Vorhaben?

Wir als Linke lehnen einen solchen Beschluss ab. Der Tornado-Einsatz bedeutet eine völlig neue Dimension der Kriegsbeteiligung, die wir nicht gut heißen können.

Was ist aus Ihrer Sicht so problematisch?

Die Isaf soll laut UN-Resolution die afghanische Übergangsregierung unterstützen und sicherstellen, dass das UN-Personal und die zivilen Helfer in einem sicheren Umfeld arbeiten können. Erst galt das für Kabul und Umgebung, später wurde das Mandat auf das ganze Land ausgedehnt. Darum geht es bei dem Tornado-Einsatz nicht mehr. Das ist der Einstieg in ein Kriegsszenario, vor dem wir immer gewarnt haben.

Verteidigungsminister Jung argumentiert, dass die Aufklärungsdaten dem besseren Schutz der Truppen, der Afghanen, der zivilen Aufbauhelfer dienen ...

Der Bundestag soll etwas beschließen, dessen Ausmaße wir noch nicht einmal kennen: Wir wissen noch nicht, wie viel Tornados geschickt werden. Wir wissen nicht, was sie genau machen sollen. Die Luftaufnahmen der Tornados werden dem Isaf-Befehlshaber zur Verfügung gestellt, der gleichzeitig Befehlshaber des Anti-Terror-Operation Enduring freedom ist - also haben auch die Amerikaner Zugriff darauf. Durch die Tornados findet endgültig eine Vermischung beider Einsatzbereiche statt. Ein Entsendungsbeschluss des Bundestages verstieße damit gegen das Völkerrecht, aber auch gegen das Grundgesetz.

Wie das?

Das Grundgesetz kennt nur die Landesverteidigung, das wurde dann 1955 ausgedehnt auf das Nato-Gebiet. 1999 hat die Nato dann eine neue Strategie verabschiedet, ihr Einsatzgebiet erweitert und sich neue Aufgaben gestellt, ohne dass der Bundestag dazu gefragt wurde.

Die PDS-Klage dagegen scheiterte damals.

Ich hatte diese Klage begründet. Die Nato vollzog unserer Ansicht nach einen Kurswechsel, weg von der Verteidigung und hin zu weltweiten Einsätzen - zur Krisenbewältigung, zum Eingreifen bei Menschenrechtsproblemen sowie zur Sicherung wichtiger Ressourcen. Das Bundesverfassungsgericht begründete die Ablehnung der Klage Ende 2001 damit, dass es sich zwar um eine Erweiterung, aber keine Veränderung des Nato-Vertrages handele. Also könne die Regierung ohne das Parlament entscheiden. Wir prüfen im Augenblick, ob wir gegen die Entsendung der Tornados verfassungsrechtlich vorgehen, weil es sich unserer Ansicht nach um eine nicht mandatierte Kriegsbeteiligung handelt.

Muss man aber nicht alles tun, damit Afghanistan nicht erneut an die Taliban fällt?

Die desolate Situation ist eine Folge der militärischen Auseinandersetzungen. Der Anti-Terror-Einsatz dauert nun schon sechs Jahre. Das hat nichts mehr mit Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta zu tun, worauf sich der Nato-Einsatz ursprünglich gründete. Unsere Befürchtung ist, dass die weitere Militarisierung des Konflikts - eben durch den Einsatz der Tornados und die Offensive - die Destabilisierung des Landes vertieft und irakische Züge annimmt.

Was aber dann?

In der letzten Bundestagsdebatte wurde stolz darauf verwiesen, dass die Entwicklungshilfe um 20 Millionen Euro erhöht wird. Der Einsatz der Tornados soll deutlich mehr kosten. Das muss umgekehrt werden. Das Geld, das für Militär geplant ist, muss in zivile Projekte fließen.

Die Tornados werden mit einer Dringlichkeit angefordert, als ob sie kriegsentscheidend seien.

Die Nato-Verbände im Süden stecken in großen Schwierigkeiten, die Koalition löst sich auf, Deutschland soll in den Krieg gezogen werden. Immer wieder hört man das Argument: Die Nato darf nicht scheitern. Es geht also gar nicht mehr um Afghanistan, sondern um ein Nato-Projekt, die Nato-Strategie. Die Nato sieht ihren Anspruch, Welt-Ordnungs-Kraft zu sein, gefährdet.

Die Nato als Verlierer in der globalen Auseinandersetzung mit dem Terror - ist dies nicht ein eher beunruhigender Gedanke?

Die Nato sollte sich wieder darauf konzentrieren, dass sie ein Verteidigungsbündnis ist - und sich nicht als militärische Interventionstruppe verstehen, die sich in Weltordnungskonflikte und imperiale Auseinandersetzungen einmischt. Afghanistan wäre für die Nato völlig uninteressant, wenn es nicht so strategisch wichtig wäre, als Nachbarland Irans, als Bindeglied zwischen dem Mittleren und Fernen Osten. Das ist der Grund des Engagements.

Das Gespräch führte Martina Doering.

Berliner Zeitung, 8. März 2007