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»Das Geld besser gleich den Staaten geben«

Im Wortlaut von Axel Troost,

Die neuen EZB-Kredite sind keine Liquiditätspolitik, sondern subventionieren Bankprofite. Ein Gespräch der Tageszeitung "junge Welt" mit Axel Trost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat am Mittwoch vor einer Rezession in Deutschland zu Jahresbeginn gewarnt. Ist das realistisch?   Axel Troost: Das DIW hat zwar das Wort »Rezession« benutzt, insgesamt aber eine eher optimistische Prognose abgegeben. Für das Gesamtjahr 2012 gehen die Forscher von einem Wachstum von 0,6 Prozent aus. Das ist mehr, als andere Institute errechnet haben. Für 2013 sagt das DIW sogar einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,2 Prozent voraus. Voraussetzung dafür ist laut Gutachten aber, daß die Finanzmarktkrise im ersten Quartal gelöst wird. Das ist jedoch höchst fraglich, gerade was die Probleme Griechenlands und Italiens am Markt für Staatsanleihen betrifft.   Die Konjunkturexperten eröffnen ein zweites Szenario, falls die Euro-Krise andauern sollte. Demnach könnte die Wirtschaftsleistung auf Jahressicht um 0,2 Prozent zurückfallen.   Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) nicht offensiver die Staatsschulden, besonders Griechenlands und Italiens, finanziert, ist das negative Szenario realistischer. Das tut sie doch bereits und verhehlt es kaum. Die Marktakteure wissen das. Die EZB hat tatsächlich einen Schwenk vollzogen und in den vergangenen Monaten Staatsanleihen gekauft. Die Strategie lautet aber, den Banken über einen Zeitraum von drei Jahren – für Zentralbanken ist das ungewöhnlich lange – Geld zu leihen, damit wiederum die Finanzinstitute Staatspapiere kaufen. Die Notenbank hat Kredite von fast 500 Milliarden Euro vergeben und die Sicherheiten dafür um 100 Milliarden Euro gesenkt. Dieser Schritt ist als Zurückhaltung der EZB am Staatsanleihemarkt zu werten. Das ist aber unsinnig. Man hätte das Geld besser gleich den Staaten geben sollen.
  Ist die halbe Billion nicht trotzdem notwendig? Der Handel unter den Banken findet noch immer kaum statt. In Finanzkreisen geht das Gerücht um, daß eine oder mehrere Großbanken pleite sind und die EZB deren Identität wie ein Staatsgeheimnis hütet.
  Die Banken haben zwei Probleme: Mittelfristig haben sie zu wenig Eigenkapital. Das kann aber die Notenbank nicht ändern, dafür wären staatliche Mittel nötig. Außerdem haben die Finanzinstitute ein Liquiditätsproblem. In der letzten Finanzkrise 2008 löste die EZB das mit kurzfristigen Geldspritzen. Die neuen dreijährigen Kredite sind aber keine Liquiditätspolitik, sondern kommen einer Subventionierung der Bankprofite gleich.
  Muß man den gigantischen Umfang der EZB-Hilfen als Alarmsignal werten?
Es besteht die Gefahr, daß Zahlungsengpässe und Abschreibungen einzelner Institute eine Kettenreaktion auslösen können. Das hat die Notenbank erkannt. Ihre lockere Geldpolitik ist durchaus vernünftig. Daß Jörg Asmussen nicht den Job als EZB-Chefvolkswirt bekommen hat, zeigt, daß die Zentralbank sich vom restriktiven Kurs von Bundesbank und Bundesregierung entfernt.
 

Das DIW warnt sogar vor einer Eskalation der Staatsschuldenkrise. Was passiert, wenn ein Land den Euro-Raum verläßt?

Wenn – konkret – Griechenland aus der Währungsunion ausscheidet, dann geraten die Geldhäuser in wirklich gefährliches Fahrwasser. Helfen würden dann nur noch Staatsbeteiligungen, um das Eigenkapital zu stabilisieren. Dafür bräuchten die Mitgliedsländer wiederum neue Mittel aus Anleiheverkäufen. In Frankreich etwa würden zur Bankenrettung rund 100 Milliarden Euro benötigt. Das Negativbeispiel Commerzbank aus der Vergangenheit zeigt, daß eine Regierung bei einer künftigen Teilverstaatlichung die Mehrheit übernehmen und die Bankenpolitik bestimmen muß.

Die Kapitalanteile würden womöglich ebenfalls von der Zentralbank über Anleihekäufe finanziert. Die EZB druckt für Staaten und Banken also immer mehr Geld. Die Deutschen fürchten deshalb eine Inflation. Mit Recht?

Erstens macht es für die Inflationsgefahr keinen Unterschied, ob man Staaten oder Banken finanziert. Zweitens kann die Notenbank das Geld im Notfall sehr schnell wieder einsammeln. Drittens bewirkt eine Ausweitung der Geldmenge an sich noch keine Inflation. Die tritt erst ein, wenn das Geld die Nachfrage nach Gütern über das Angebot hinaus erhöht. Die Nachfragelücke auf Grund der Finanz- und Wirtschaftskrise senkt die Inflation aber. Die jetzigen Finanzspritzen sollen schlicht die Räder wieder in Gang bringen.

  Interview: Mirko Knoche   junge Welt, 7. Januar 2012