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Das Fördern hat nicht geklappt

Im Wortlaut von Bodo Ramelow,

Ramelow fordert den Ausbau des Non-Profit-Bereichs

Wenn jetzt bei CDU und SPD immer lauter die Frage aufgeworfen werde, ob die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I nicht für ältere Arbeitnehmer verlängert werden solle, ist das für den linken Thüringer Bundestagsabgeordneten Bodo Ramelow ein durchsichtiges Manöver: Da wird versucht, zu übertünchen, dass es ein Gerechtigkeitslücke gibt, die mit Hartz IV verbunden ist. Und es gehe die Sorge um, dass das Kernstück der Hartz-Gesetze womöglich gar nicht verfassungskonform sei. Gehandelt werden müsse aber auf jeden Fall, wenn die dringendsten Probleme nicht länger ausgeklammert und verdrängt werden sollen: zunehmende Kinderarmut und Langzeitarbeitslosigkeit in Regionen, in denen mit neuen Arbeitsplätzen absehbar nicht zu rechnen ist. Und Ramelow wäre nicht linker Arbeitsmarktpolitikexperte und Kandidat für das Ministerpräsidentenamt 2009, wenn er nicht längst Lösungsansätze parat hätte. Eine wichtige Rolle spielt dabei für ihn der Non-Profit-Sektor, in dem auch diejenigen Nützliches leisten könnten, die im ersten Arbeitsmarkt absehbar keinen Job erhalten werden. Damit allerdings ist der Linke weit entfernt von dem, was die Große Koalition in Sachen Arbeitsmarktpolitik plant.

Ramelow geht mit der Hartz-Reform scharf ins Gericht und nennt Fordern und Fördern eine Lüge. Es habe sich doch längst herausgestellt, dass zwar den Menschen viel abverlangt werde, das Fördern aber hat nicht geklappt. Die Folge salopp formuliert: Zunehmend mehr Menschen fallen durch den Rost. Deswegen finde er die Debatte um ein verlängertes Arbeitslosengeld spannend: Damit rücke immerhin wieder ins Blickfeld, dass die Beteiligten einen Rechtsanspruch auf eine Versicherungsleistung haben sollen. Genau dies sei noch vor zwei Jahren völlig tabuisiert worden, so Ramelow. Er spricht von einer Aufweichung des ideologischen Dogmatismus', auch wenn aus seiner Sicht die Lösungsangebote sehr zu wünschen übrig lassen.

Der Koalition fehlen ernsthafte Konzepte

Während die CDU darauf zielt, längeren ArbeitslosengeldI-Bezug ausschließlich an die Versicherungsjahre zu knüpfen, hat die SPD das Lebensalter als Maßstab im Sinn: Beide drücken sich aber vor der Kernfrage: Wie sollen die Menschen, die keine Arbeit haben und in Regionen mit Massenarbeitslosigkeit leben, überhaupt Arbeit bekommen? Statt Parteitagsdebatten zu führen und dann die Beschlüsse liegen zu lassen, müssten jetzt ernsthafte Konzepte entwickelt werden.

Aus Ramelows Sicht muss über zwei Facetten der Langzeitarbeitslosigkeit geredet werden. Zum einen: Was bedeutet Kinderarmut und wie bauen wir Auswege aus der HartzIV-Falle? Dabei hat er die Zukunft von Kindern und Jugendlichen im Blick, die in Armut aufwachsen. Und zum anderen: Wo Arbeitsplätze nicht über Marktwirtschaft entstehen, muss ein dauerhafter öffentlicher Beschäftigungssektor bezwiehungsweise ein so genannter Non-Profit-Sektor endlich auf den Weg gebracht werden, sagt der Bundestagsabgeordnete, der 2009 als Ministerpräsidentenkandidat der Linken in Thüringen antreten will. ABM, SAM, Kurzzeitmaßnahmen, Bewerbungstraining das kann man sich alles sparen: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir eine Industrienation sind, deren Export alles überschwemmt und die trotzdem niemals mehr Vollbeschäftigung im industriellen Sinne erreichen wird, schätzt der Arbeitsmarktpolitik-Experte ein. Wenn man sich das eingestehe, sei die Konsequenz klar: Wir müssen im Non-Profit-Bereich Arbeitsangebote unterbreiten, um so jenen Menschen Teilhabe und sinnstiftende Aufgabe zu geben. In Bereichen wie Pflege oder Bildung sieht er da Chancen für gesellschaftlich wichtige Einsätze, die sich aber rein ökonomisch betrachtet nicht rechnen würden.

Bei der Großen Koalition aber bemerkt er noch keine Einsicht auf diesem Gebiet: ALGII spiele bei der derzeitigen Debatte gar keine Rolle. Und über ALGI wird wohl nicht nur wegen des bevorstehenden SPD-Parteitags gesprochen. Es geht aber wohl auch die Furcht um, wie das Bundesverfassungsgericht in der Frage entscheidet, ob das Arbeitslosengeld I überhaupt verfassungskonform abgesenkt wurde? Das aber sei der Kern von HartzIV.

Von Gerlinde Sommer

Thüringische Landeszeitung, 12. Oktober 2007