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Cum/Ex-Skandal: Finanzverwaltung hatte »nicht den Hauch einer Ahnung«

Nachricht von Richard Pitterle,

 

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE

 

Nachdem in den vergangenen Sitzungen des Untersuchungsausschusses zu den Cum/Ex-Geschäften vor allem die Bankenseite beleuchtet worden war, wurde in der letzten Sitzung vor der Sommerpause nunmehr der Vorhang für Zeugen von staatlicher Seite geöffnet. Vier der fünf Zeugen waren als Referatsleiter aus Länderfinanzministerien Teilnehmer einer Sitzung im Bundesfinanzministerium im Oktober 2005. Dort wurde der Regelungsvorschlag des Bankenverbandes von 2002, nach welchem die Cum/Ex-Geschäfte zwar über Banken im Inland verhindert, über Auslandsbanken jedoch ausdrücklich noch möglich waren, einmütig abgenickt. Zudem wurde ein weiterer Zeuge von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin geladen. Dort setzt man sich erst seit kürzerer Zeit mit den Cum/Ex-Geschäften auseinander, insbesondere nachdem Anfang 2016 die Maple-Bank wegen hoher Steuerrückforderungen geschlossen werden musste.

Länder befürworteten Regelungsvorschlag des Bankenverbandes

Zuerst wurde Rudolf Seibert befragt, 2005 Referatsleiter im hessischen Finanzministerium. Zum Thema konnte er fast nichts sagen, zumal er damals für den in Frage stehenden Bereich der Kapitalertragsteuer nicht zuständig war. Er wusste jedoch noch, dass die vom Bundesfinanzministerium vorgelegte Regelung, die auf dem Vorschlag des Bankenverbandes von 2002 beruhte, von den Ländern einstimmig befürwortet wurde.

Einen sehr dürftigen Auftritt zeigte danach Michael Schwenke, 2005 Referatsleiter im bayerischen Finanzministerium und inzwischen Richter am Bundesfinanzhof. Er erklärte, damals zwar zuständig gewesen zu sein, konnte sich jedoch an praktisch nichts erinnern. Weder habe es einen Kontakt mit Bankenvertretern zum Thema gegeben, noch habe er an irgendeiner weiteren Besprechung zu den Cum/Ex-Geschäften auf Seiten der Finanzverwaltung teilgenommen. Letzteres überraschte, da in den Akten an ihn adressierte Emails über eine Terminvereinbarung zu einer Nachbesprechung der Ländervertreter zu finden waren.

„Hatten Grundvertrauen in den Bankenverband“

Danach folgte Dietrich Weilbach für das Finanzministerium Baden-Württemberg. Er erklärte, dass man damals das Potenzial, das hinter den Cum/Ex-Geschäften stand, nicht erkannt habe. Anfangs habe man auch ein Grundvertrauen in den Bankenverband und dementsprechend in die von selbigem vorgeschlagenen Regelungen gehabt – eine Aussage, die den Verdacht einer gewissen Naivität auf Seiten der Finanzverwaltung aufkommen lässt. Realitätsnäher schien da schon Weilbachs Bezeichnung des Verhältnisses der Steuerbehörden zur Finanzwirtschaft als „Hase-und-Igel-Spiel“

Der nächste Zeuge war Christoph Schmitz aus dem nordrhein-westfälischen Finanzministerium. Auch er erklärte, dass man nicht „den Hauch einer Ahnung“ gehabt hätte, welchen Umfang das Problem der doppelten Steuerbescheinigungen hatte. Immerhin konnte Schmitz sich noch erinnern, dass zumindest „erwähnt“ wurde, dass der Regelungsvorschlag des Bankenverbandes nur die Cum/Ex-Geschäfte über Inlandsbanken abdecken würde. Warum allerdings der kurz vor dem Treffen beim Bundesfinanzministerium im Oktober 2005 verfassten kritischen Stellungnahme zum Vorschlag des Bankenverbandes, die noch dazu aus seinem eigenen Hause kam, kein Gehör geschenkt wurde, vermochte Schmitz nicht wirklich zu erklären.

„Cum/Ex jahrelang von Behörden geduldet“

Fünfter und letzter Zeuge im Bunde war Raimund Röseler von der BaFin. Er erklärte zunächst, dass seine Behörde keine Expertise oder Kompetenzen im Steuerbereich habe. Erst 2011 habe er durch den Fall der HSH Nordbank von den Cum/Ex-Geschäften Kenntnis erlangt. Hinweise vom Bundesfinanzministerium gab es nicht, obwohl man dort spätestens seit Frühjahr 2009 von Cum/Ex-Geschäften in großem Stil wusste. Ohnehin habe es bis zu einer Gesetzesänderung 2015 kaum Austausch zwischen der BaFin und anderen Behörden gegeben, da man die vertrauliche Kommunikation zwischen Banken und BaFin nicht gefährden wollte. Als Betrachter fragt man sich dann doch, wer hier eigentlich geschützt werden soll. Die Banken oder das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler? Laut Röseler seien die Cum/Ex-Geschäfte von den Behörden „jahrelang geduldet worden“. In den Zeugenvernehmungen nach der Sommerpause wird der Untersuchungsausschuss hier anknüpfen. Dann werden die Zuständigen aus dem Bundesfinanzministerium Rede und Antwort stehen müssen.

linksfraktion.de, 13. Juli 2016