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Andrej Hunko Foto: DBT / Achim Melde

CETA: Die autoritäre Lösung verhindern

Im Wortlaut von Andrej Hunko,

Von Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Im Ringen um die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens CETA offenbaren sich undemokratische Züge der EU. In charakteristischer Arroganz hat die EU-Kommission geglaubt, durch Erzeugung eines Zeitdrucks die Bedenken wegwischen zu können, die völlig zurecht gegen das Abkommen existieren. Obwohl klar war, dass nicht alle Länder zustimmen wollten, wurde für den 27. Oktober der EU-Kanada-Gipfel zur Unterzeichnung anberaumt. Auf diese Weise sollten renitente Länder unter Druck gesetzt werden. Einige sind eingeknickt. Erfreulich standhaft waren bislang aber die belgischen Regionen Wallonie und Brüssel.

Angesichts des völlig inakzeptablen Zeitdrucks ist eine Unterzeichnung von CETA nur noch unter Umgehung in Belgien etablierter demokratischer Verfahren oder durch Verfassungsbruch möglich. Dabei gibt es keinen Grund für Hektik. Die Einwände der Wallonie liegen seit Monaten vor, wurden aber ignoriert – und das obwohl sogar Kanada signalisiert hat, auf die undemokratischen Schiedsgerichte verzichten zu können.

Medial wird nun das Bild vermittelt, als stelle sich eine einzige Region Europas gegen den Willen aller anderen. Weitgehend einhellig zeichnen Kommentatoren der Leitmedien das Bild, dass 0,7 Prozent der Bevölkerung den Rest der EU in Geiselhaft nehme. Dies sei undemokratisch und anti-europäisch. Doch andersherum wird ein Schuh daraus. Denn die Wallonie ist bei Weitem nicht allein. Sie steht heute für den Widerstand gegen neoliberale Abkommen wie CETA, TTIP und TiSA in vielen Ländern Europas. Doch wurden diese Stimmen von Millionen bislang ignoriert.

In mehreren EU-Staaten gibt es klare Mehrheiten gegen CETA. In Österreich etwa haben etwa 90 Prozent der SPÖ-Mitglieder gegen CETA gestimmt. Dennoch will die Regierung grünes Licht geben. Auch in Deutschland entschied die SPD gegen Widerstände der eigenen Parteibasis – und die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. In Irland stimmte das Oberhaus des Parlaments (Seanad) gegen CETA und auch der Sozial- und Wirtschaftsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates hat gefordert, die Unterzeichnung zu verschieben. In Deutschland stellte das Verfassungsgericht hohe Anforderungen für eine deutsche Zustimmung. Zugleich gingen Hunderttausende auf die Straße.

Dies zeigt: Die Kritik, die Paul Magnette, der Ministerpräsident der Wallonischen Region, zum Ausdruck bringt, ist sehr weit verbreitet. Doch findet sie in den Handlungen der Regierungen keinen Ausdruck. Wenn etwas undemokratisch und "anti-europäisch“ ist, dann dies.

Als sei dem nicht genug, kommen nun Hardliner mit noch aberwitzigeren Vorschlägen zur Lösung des CETA-Patts. So zum Beispiel Guy Verhofstadt, Vorsitzender der liberalen ALDE-Fraktion des Europäischen Parlaments. Erst gestern brachte er ins Spiel, CETA nun doch als "EU only" statt als gemischtes Abkommen zu behandeln. Dies würde bedeuten, dass die nationalen Parlamente es nicht ratifizieren müssten. Ganz nach dem Motto: Wenn demokratische Prozesse nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, dann werden sie eben umgangen. Damit hat Verhofstadt eine autoritäre Lösung skizziert.

Weitere Szenarien sind denkbar. Womöglich knicken die belgischen Regionen doch noch ein. Wahrscheinlicher scheint derzeit aber, dass die Unterzeichnung verschoben und noch weiter verhandelt wird. Ob das möglich ist, ohne das gesamte Abkommen nachverhandeln zu müssen, ist zweifelhaft. Denn beispielsweise die Schiedsgerichte (ICS), die auch das wallonische Parlament kritisiert, sind Teil des Vertrages und dürften sich nur schwer über Protokollerklärungen entkräften lassen. So ist vor allem mit einer Verzögerung zu rechnen – zumindest ein Teilerfolg für die Bewegung gegen CETA.

Womöglich führt die Blockade aber auch dazu, dass die Bewegung neuen Schwung erhält – und wir am Ende CETA und damit auch TTIP beerdigen können. Die Krise sollte dazu genutzt werden, die EU zu demokratisieren und davon abzubringen, auf intransparente Weise neoliberale Freihandelsabkommen durchzudrücken. Dafür kämpfen wir weiter.