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Cannabis als Medizin: Bedarf steigt – Bundesregierung plant daran vorbei!

Im Wortlaut von Niema Movassat,

Von Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Seit etwa drei Jahren kann in Deutschland Cannabis als Medizin verordnet werden. Vermutlich gibt es bereits mehr als 50.000 Cannabispatient*innen. Konkrete Zahlen werden leider nicht erhoben. Die Antworten der Bundesregierung vom 23. März 2020 auf die Kleine Anfrage "Versorgungssituation und Bedarf von medizinischem Cannabis"  zeigen, dass auch die Bundesregierung keinen Überblick hat, wie viele Cannabispatient*innen versorgt werden müssen.

Bedarf steigt rasant

An Stümperhaftigkeit ist die Bundesregierung bei der Versorgung mit Cannabis als Medizin langsam nicht mehr zu überbieten. Wie wollen die zuständigen Stellen die Versorgung sicherstellen, wenn ihnen der Bedarf noch nicht einmal bekannt ist? Anstatt sich wirklich um die Bedarfsdeckung durch in Deutschland angebautes medizinisches Cannabis zu kümmern, erteilt die Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wie verrückt Importerlaubnisse. Bis März 2020 wurden knapp 60 Importerlaubnisse erteilt. Damit könnte jährlich insgesamt ein Volumen von über 98 Tonnen Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken importiert werden. So hoch ist der Bedarf aktuell noch nicht. Dass er aber rasant steigt, geht aus den Antworten der Bundesregierung klar hervor. Im Jahr 2019 wurden allein 6,5 Tonnen Cannabisblüten für die direkte Versorgung von Cannabispatient*innen importiert. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Verdoppelung. Auch bei Savitex, Cannamed, Dronabinol et cetera sind deutliche Zuwächse zu verzeichnen.

Dennoch hält die Bundesregierung daran fest, in den nächste vier Jahren in Deutschland nur 2,6 Tonnen Cannabisblüten pro Jahr anzubauen. Das ist fahrlässig. Denn damit ist klar, dass die Versorgung von Cannabispatient*innen weiterhin maßgeblich von Importen abhängig sein wird. Die Bundesregierung muss unverzüglich handeln und in einer neuen Ausschreibung die jährliche Anbaumenge auf mindestens zehn Tonnen erweitern – natürlich mit der Option, flexibel auch auf 20 Tonnen oder mehr zu erhöhen. Denn die Anzahl der Cannabispatient*innen steigt kontinuierlich. Darauf kann man nicht, einfach nicht reagieren!

Lieferengpässe, hohe finanzielle Belastung, bürokratische Torturen

Auch sonst scheint die Informationslage der Bundesregierung dürftig zu sein. Während die Bundesregierung für das Jahr 2017 beispielsweise noch Kenntnis über die gestellten und genehmigten bezieungsweise abgelehnten Anträge zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen hatte, liegen ihr die Daten ab dem Jahr 2018 offensichtlich nicht mehr vor. Die Frage, ob mittlerweile mehr als nur zwei Drittel der Anträge genehmigt werden, bleibt damit ebenfalls offen. Dass schwerkranke Menschen ärztlich verordnetes Cannabis aus eigener Tasche bezahlen müssen, ist nicht länger hinnehmbar.

Ab Ende 2020 rechnet die Bundesregierung damit, dass in Deutschland angebautes Cannabis in den Apotheken erhältlich sein wird. Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens diese Rechnung aufgeht. Dass drei Jahre nach Inkrafttreten des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes die Versorgung nicht ansatzweise reibungslos läuft, bedeutet für Cannabispatient*innen weiterhin, Lieferengpässe, hohe finanzielle Belastungen bei Selbstzahlung und bürokratische Torturen ertragen zu müssen. Daran muss sich sofort etwas ändern!