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Callcenter: Regierung lässt Billig-Löhnen freien Lauf

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Obwohl sieben von zehn Callcenter-Beschäftigten zu Niedriglöhnen arbeiten und der Staat die Billiglohn-Branche jährlich mit zweistelligen Millionenbeträgen subventioniert, will die Bundesregierung keine Schritte zur Einführung eines Mindestlohns ergreifen. Das ergab eine Kleine Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Sabine Zimmermann bei der Bundesregierung.

Nach Angaben der Bundesregierung liegt der Anteil der Callcenter-Beschäftigten, die ein Entgelt unterhalb der offiziellen Niedriglohnschwelle von 10,36 Euro in der Stunde beziehen, bei 68,1 Prozent. Der Niedriglohnanteil ist damit dreimal so hoch wie in der Gesamtwirtschaft mit 20,6 Prozent. Tausende Beschäftigte stocken ihren Lohn durch Hartz IV-Leistungen auf.

Der Staat subventioniert die Niedriglohnbranche so auch noch mit Millionenbeträgen. Nach Angaben der Bundesregierung beliefen sich allein 2011 die aufstockenden Hartz IV-Leistungen auf 33 Millionen Euro. Hinzu kommen fünf Millionen Euro, die in den Jahren 2011/12 über die Wirtschaftsförderung in die Branche flossen.

In ihrer Antwort räumt die Bundesregierung ein, dass sie nach dem Arbeitsmindestbedingungengesetz selbst ein Mindestlohnverfahren für die Branche anregen könnte, stellt aber keine Schritte dahin in Aussicht.

Den Handlungsbedarf seitens der Politik zeigt das aktuelle Beispiel eines Callcenters des Bosch-Unternehmens in Magdeburg, das zu den zehn meist geförderten Unternehmen der Callcenter-Branche gehört, aber seinen Beschäftigten seit Monaten einen Tarifvertrag verweigert.

Die Regierung bleibt weiter untätig. Vor einem Jahr kündigten Vertreter der Callcenter-Branche an, einen Arbeitgeberverband zu gründen, um dann über einen Tarifvertrag zu einem Branchenmindestlohn zu kommen. Bisher ist aber nichts passiert. Nach eigenen Angaben führt die Bundesregierung mit den Vertretern der Callcenter-Branche vertrauliche Gespräche, hat aber „keine Kenntnisse über den aktuellen Stand solcher Aktivitäten“.

Es muss Schluss sein mit Billiglöhnen in der Callcenter-Branche. Immer mehr Beschäftigte fordern das ein, erstreiken Tarifverträge. Die Politik muss das unterstützen. Billiglöhne kommen auch die Gesellschaft teuer zustehen, die die Niedriglöhne mit Sozialleistungen aufstockt. Wir brauchen Druck auf die Arbeitgeber gegen Tarifflucht. Fördermittel müssen an soziale Kriterien wie etwa das Vorhandensein von Tarifverträgen geknüpft werden. Und wir brauchen endlich einen gesetzlichen Mindestlohn.

Ergebnisse der Kleinen Anfrage im Einzelnen:

  • Regierung will Niedriglöhnen in den Callcentern freien Lauf lassen, denn
    • sie spricht davon, dass es „Aufgabe der Tarifpartner“ ist, „Entgelte zu vereinbaren“ (S.1, Frage 1), wissentlich, dass es dort kaum Tarifverträge gibt und diese allenfalls bei ca. 8 Euro liegen
    • sie führt vertrauliche Gespräche mit der Callcenterbranche (vgl. Frage 12, S.8) - deren Vertreter vor einem Jahr die Gründung eines Arbeitgeberverbandes ankündigten, um einen Branchentarifvertrag zu ermöglichen - will aber angeblich keine Kenntnisse über mögliche Aktivitäten der Arbeitgeber haben (Vgl. Frage 11, S.8)
    • sie räumt ein, selbst die Initiative für einen Branchenmindestlohn starten zu können („nach § 3 Abs. 2 Mindestarbeitsbedingungengesetz [hat] die Bundesregierung ebenso wie jede Landesregierung die Möglichkeit […], dem Hauptausschuss Vorschläge für die Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten zu machen“, Frage 13, S.9), will aber von dieser Möglichkeit kein Gebrauch machen
  • die Callcenter-Branche wächst: ein Plus von knapp 10 Prozent innerhalb der vergangen zwei Jahre (vgl. Zahlen Tabelle 4 S.16, dort sind allerdings nicht alle Callcenter erfasst vgl. Antwort Frage 2, S.2
  • die Callcenter-Branche ist eine Niedriglohnbranche: der Anteil der Beschäftigten, die ein Entgelt unterhalb der offiziellen Niedriglohnschwelle von 10,36 Euro in der Stunde beziehen, liegt bei 68,1 Prozent. Der Niedriglohnanteil ist damit dreimal so hoch wie in der Gesamtwirtschaft mit 20,6 Prozent (alle Daten 2010), vgl. Antwort auf Frage 5, S.5f
  • tausende Beschäftigte, stocken ihren Lohn durch Hartz IV-Leistungen auf (Vgl. Frage 6, S. 6 und Tabelle 5, S.18)
    • im Juni 2012 wurden 5467 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte registriert, die ergänzend Arbeitslosengeld II beziehen
    • das sind 5,4% aller Beschäftigten, deutlich mehr als in der Gesamtwirtschaft mit 2,0%
    • damit stockt jeder 18-19 Beschäftigte in der Callcenter-Branche sein Lohn durch ergänzende Hartz IV-Zahlungen auf. In der Gesamtwirtschaft „nur“ jeder 50te.
  • der Staat / die Gesellschaft subventioniert die Niedriglohnbranche mit Millionenbeträgen, durch
    • den Lohn aufstockende Hartz IV Leistungen:
      • allein 2011 bei den als Callcenter-Beschäftigte mit insgesamt 32,7 Millionen Euro!!! (Frage 7, S.6)
      • selbst Vollzeitbeschäftigte erhielten durchschnittlich je Monat 461 Euro (Tabelle 6, Seite 18)
    • Gelder der Arbeitsmarktförderung:
      • allein 2012 wurden 6.555 Personen mit Instrumenten der Arbeitsförderung gefördert (Frage 15, S. 10) – dazu gehören z.B. auch Lohnkostenzuschüsse oder Provisionen für private Arbeitsvermittlung
    • Gelder der Wirtschaftsförderung:
      • 2011/2012 flossen 5 Millionen Euro in diese Branche (Frage 16, S.11)
      • davon auch an Firmen, die sich weigern einen Tarifvertrag abzuschließen, wie z.B. Bosch Communication Center Magdeburg GmbH (Frage 17, S.12)
      • dabei lehnt es die BR ab, für die Wirtschaftsförderung Kriterien wie etwa tarifliche Bezahlung einzuführen! (Frage 18, S.12/13)
  • Es gibt eine enorme Fluktuation von 50,2 Prozent im Jahr 2011 (Vgl. Frage 8, Seite 7), die dabei schon um 6,4% gefallen ist im Vergleich zu 2008, aber (noch) deutlich höher als Gesamtwirtschaft mit 27,7 Prozent

 

linksfraktion.de, 12. März 2013