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»Business Case Entwicklung« - Fachgespräch zur Rolle der Privatwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit

Nachricht von Eva-Maria Schreiber,

Privatwirtschaftskooperationen stehen derzeit im Zentrum des entwicklungspolitischen Denkens und Handelns. Gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen veranstaltete unsere Fraktion am 13. Mai ein Fachgespräch im Bundestag, welches die Frage stellte, inwieweit wir Entwicklung wirklich als Geschäftsmodell verstehen können und wo die Grenzen und Gefahren dieses Ansatzes liegen.

In ihrem Eingangsstatement stellte Eva-Maria Schreiber, Obfrau im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, fünf Thesen auf, die einen kritischen Blick auf den derzeitigen Privatwirtschaftsfokus legten. So sei der Mehrwert solcher Kooperationen für Entwicklungsländer empirisch kaum belegt. Es drohe eine Entpolitisierung der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), da die Behebung globaler, struktureller Ungleichheiten sich nicht in Geschäftsmodelle pressen ließe. Zudem fördere die Bundesregierung zwar mit einer Hand privatwirtschaftliche Initiativen, zerstöre durch ungleiche Freihandelsabkommen aber zugleich wirtschaftliche Strukturen in Ländern des Globalen Südens.

Konflikte zwischen Entwicklungszielen und Unternehmensinteressen

Das Deutsche Evaluierungsinstitut DEval präsentierte daraufhin zwei aktuelle Untersuchungen zu konkreten Privatwirtschaftskooperationen in der deutschen EZ. Laut DEval hätten diese zwar entwicklungspolitisches Potential. Zugleich würde dieses Potential jedoch durch mehrere Faktoren eingeschränkt. So lasse die Bundesregierung klare Zielsetzungen, Strategien und Transparenz vermissen und unterschätze Konflikte zwischen entwicklungspolitischen Zielen und Unternehmensinteressen. Zudem komme weder das Entwicklungsministerium (BMZ) noch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bei den Kooperationen ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nach.

Die anschließende Podiumsdiskussion verlief in zwei gegensätzliche Richtungen. Lucia de Carlo vom BMZ und Axel Klaphake von der GIZ kündigten an, Kooperationen mit dem Privatsektor zukünftig weiter auszubauen und versprachen zugleich, diese stärker an entwicklungspolitische Anforderungen ausrichten zu wollen. Marita Wiggerthale von OXFAM Deutschland und Uwe Kekeritz von Bündnis 90/Die Grünen äußerten grundlegende Zweifel daran, dass marktwirtschaftliche Ansätze geeignet seien, um Hunger und Armut zu bekämpfen sowie die ökologische Krise zu lösen. Der Vertreter der GIZ reagierte darauf mit dem Hinweis, dass Privatwirtschaftskooperationen nur einen kleinen Teil des Portfolios der GIZ ausmachen würde, dass er sich in den Entwicklungsländern jedoch zugleich mehr statt weniger marktwirtschaftliche Strukturen wünschen würde.

Einhaltung der Menschenrechte nicht ausreichend gesichert

Aus dem Publikum kamen überwiegend kritische Kommentare zur Privatisierung der EZ. So fragte Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika, woher das BMZ die Hoffnung nehme, dass deutsche Unternehmen gerade in der EZ zur Nachhaltigkeit beitragen würden, wenn sie dies in Deutschland selbst auch nicht schaffen würden. Mehrere Teilnehmer*innen des mit circa 90 Personen gut besuchten Fachgesprächs kritisierten, dass das BMZ derzeit einen Paradigmenwechsel vorantreibe. Unternehmen fungierten nicht mehr nur als Kooperationspartner der EZ, sondern würden durch staatliche Entwicklungsgelder direkt beim Eintritt in neue Märkte im Globalen Süden unterstützt. Zudem äußerten viele Personen Bedenken darüber, dass weder BMZ noch GIZ die Einhaltung von Menschenrechten in ausreichender Form überprüfen und umsetzen würden.

Das große Interesse an der Veranstaltung sowie die rege Diskussion zeigten, dass es in Deutschland das Bedürfnis gibt, den derzeitigen Privatisierungsturn in der EZ nicht einfach hinzunehmen, sondern eine grundlegende Debatte über dessen Sinnhaftigkeit zu führen. Dass diese Debatte auch weiter geführt wird, dafür wird sich DIE LINKE auch in Zukunft einsetzen.