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Bundesregierung verharmlost Missbrauch der Rechtsform Genossenschaft

Nachricht von Hubertus Zdebel,

Auswertung der Antworten der Bundesregierung zu der Kleinen Anfragen von Hubertus Zdebel "Missbrauch der Rechtsform Genossenschaft"


Hintergrund

Genossenschaften in Deutschland sind ein gesellschaftspolitisch wichtiges Vehikel mit einem ausgezeichneten Ruf. Doch immer mehr dubiose Anbieter nutzen den guten Ruf von Genossenschaften und damit diese Rechtsform aus, um über den Vertrieb von Vermögensanlagen Verbraucher*innen finanziell zu schädigen (vgl. Capital, Genossenschaften: Wie dubiose Anbieter den guten Ruf ausnutzen, 1. November 2018). Ein verstärkter Missbrauchs des Genossenschaftsmantels wird aber immer noch von Bundesregierung und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geleugnet.

Die vermeintlich sichere Geldanlage mit Top-Rendite ist meist eine unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung, bei der ein Totalverlust droht. Unseriöse Graumarkt-Genossenschaften machen es sich zunutze, dass Genossenschaften – anders als Genossenschaftsbanken wie die Volks- und Raiffeisenbanken – nicht der staatlichen Kontrolle durch die unterliegen und teilweise nicht einmal einen Verkaufsprospekt für ihre Finanzprodukte veröffentlichen müssen. Deshalb muss auch die Rolle von Genossenschaften auf dem weitgehend unregulierten Grauen Kapitalmarkt näher betrachtet werden. Aus diesem Grund wird u.a. erfragt, wie die Bundesregierung einen weiteren Missbrauch der Rechtsform Genossenschaft einschätzt und diesen möglicherweise verhindern möchte.

 

Dazu erklärt Hubertus Zdebel, Mitglied für die Fraktion DIE LINKE im Finanzausschuss und dort Berichterstatter seiner Fraktion für finanziellen Verbraucherschutz:

"Die Bundesregierung spricht mit gespaltener Zunge: Zum einen betont sie, dass nur in wenigen Einzelfällen die Rechtsform Genossenschaft zum Anlegerbetrug ausgenutzt wurde. Zum anderen schweigt sie zu sämtlichen Betrugsverfahren gegen Genossenschaften, betont, dass der gute Ruf von Genossenschaften Schaden nehmen könne, und will Vorschläge prüfen, um unseriöse Kapitalanlage-Genossenschaften wirksam zu verhindern.

Beschwerden beim Marktwächter Finanzen über 28 Genossenschaften sowie zahlreiche Betrugsverfahren zeigen, dass die Genossenschaftsform missbraucht wird. In 20 Fällen wurde überprüft, ob beim Vertrieb von Genossenschaftsanteilen unerlaubterweise Provisionen geflossen sind. Sogar im Bund-Länder-Ausschuss 'Genossenschaftsreferenten' wurde bereits eine auffällige Häufung von Verbraucherbeschwerden bei Wohnungsgenossenschaften diskutiert. Dies gibt die Bundesregierung unumwunden zu, verschläft aber seit Monaten, entschlossen tätig zu werden.  

Problematisch sind einerseits die viel zu großzügigen Befreiungsvorschriften für Genossenschaften bei der Prospekterstellung, wenn diese eine Vermögensanlage herausgeben wollen. Ausnahmen von der Prospektpflicht sind deutlich strenger zu fassen. Vor allem sollten aber alle Angebote von Vermögensanlagen der BaFin gemeldet werden müssen und eine Überprüfung nach sich ziehen. 

Das Zusammenwirken von Prüfverbänden und deren Staatsaufsichten, BaFin und Marktwächter Finanzen muss des Weiteren verbessert werden. Beratung und Prüfung durch Prüfverbände sind voneinander zu trennen, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Im Rahmen der Prüfungen sind insbesondere Gründungsprüfungen näher zu untersuchen. Die beste Missbrauchsprävention wäre die Einführung eines Finanz-TÜV, einer verpflichtenden Zulassungsprüfung für Finanzinstrumente und -akteure aller Art."


Detaillierte Auswertung (PDF)