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Bundesländer dürfen Mieten deckeln

Nachricht von Niema Movassat,

Auswertung des Kurzgutachtens "Zur Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Öffentliche Mietpreisrecht bei Wohnraum" von Prof. Dr. Thorsten Kingreen vom 20. Februar 2020


Die Bundesländer haben die Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel, wie er am 30. Januar 2020 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen wurde. Zu dieser Einschätzung kommt Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg.

Die Gesetzgebungskompetenz der Länder gilt für alle Bereiche des beschlossenen Berliner "Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung" (MietenWoG): für den Mietenstopp, für Mietobergrenzen und für die Absenkung überhöhter Mieten. Auch das laufende Volksbegehren in Bayern ist aus diesen Gründen mit dem Grundgesetz vereinbar.

In der öffentlichen Debatte wird den Bundesländern die Zuständigkeit für einen Mietendeckel immer wieder abgesprochen. Das Mietendeckel-Gesetz sei deshalb, so argumentieren einige juristische Gutachten oder auch das Bundesinnenministerium, verfassungswidrig. Das vorliegende Kurzgutachten entkräftet diese Position und nennt dafür gleich mehrere Gründe:

  1. Die öffentliche-rechtliche Begrenzung von Mietpreisen ist historisch fester Bestandteil der Regulierung des Wohnungswesens. Seit der Weimarer Republik und noch bis Ende der 1950er Jahre wurden Mietpreise sogar vorwiegend auf diese Weise begrenzt. Die Föderalismusreform im Jahr 2006 hat an dieses Verständnis für den Begriff "Wohnungswesen" angeknüpft. Mit der Zuständigkeit für das Wohnungswesen ist so zweifelsfrei auch die Zuständigkeit für ein öffentliches Mietpreisrecht auf die Bundesländer übergegangen.
  2. Ein Nebeneinander öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Mietbegrenzung ist regulatorischer Normalzustand: Nicht immer ist alles das öffentlich-rechtlich erlaubt, was privatrechtlich möglich ist. Wer anderes behauptet, verabschiedet letztlich das öffentliche Recht als Regulierungsinstrument. Seit der schrittweisen Einführung des heutigen Mietrechts ab den 1960er Jahren bestanden privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Mietbegrenzungen nebeneinander. Noch heute beruht das soziale Mietrecht auch auf öffentlich-rechtlichen Instrumenten wie den Mietspiegeln. Die Regelungen des Berliner Mietendeckels treten entsprechend nicht in Widerspruch zum Bundes-Mietrecht, sondern überlagern das Privatrecht/Zivilrecht.
  3. Die Mietpreisbremse entfaltet keine sog. "Sperrwirkung" für den Mietendeckel. Immer wieder wird dies als Argument vorgebracht. Das wäre dann der Fall, wenn der Bund einen Regelungsbereich abschließend und kompetenzgemäß geregelt hat. Die Mietpreisbremse wird aber nur dann wirksam, wenn die sachnäheren Länder eine entsprechende Verordnung erlassen haben. Der Bund selbst hat damit die Möglichkeit, von der Mietpreisbremse Gebrauch zu machen, an die Bundesländer delegiert. Von einer "abschließenden" Regelung kann deshalb nicht die Rede sein.

Dazu sagt Niema Movassat, verfassungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag:

"Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin erklärt der Spekulation mit Wohnraum den Kampf und ergreift mit dem Mietendeckel eine effektive Maßnahme gegen den Mietenwahnsinn. CDU und FDP zeigen mit ihrer Klage gegen den Mietendeckel, dass sie auf der Seite der Immobilienlobby und nicht der Mieterinnen und Mieter stehen. Der verfassungsrechtlichen Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht sehen wir ab heute jedenfalls gelassen entgegen. Mit dem Gutachten von Prof. Kingreen liegt nun das dritte Gutachten vor, aus dem sich klar die Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels ergibt."