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Brexit – Hoffen auf Corbyn

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Von Alexander Ulrich 

Mehr und mehr droht Großbritannien im Brexit-Chaos zu versinken. Keine Frage, der ausgehandelte Deal mit der EU ist schlecht für das Vereinte Königreich. Man bliebe ohne zeitliche Befristung Teil der Zollunion, wäre damit der Rechtsprechung des EuGH unterworfen, könnte kaum eine eigenständige Handelspolitik betreiben und würde Mitspracherechte bei wichtigen Entscheidungen verlieren, gleichzeitig aber weiterhin von diesen Entscheidungen betroffen sein.

Das ist das Ergebnis ungleicher und unfairer Verhandlungen, in denen die EU ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale geworfen und auch manch wirtschaftliches Interesse ihrer verbleibenden Mitgliedsstaaten hintenangestellt hat. Hauptsache, Großbritannien bekommt einen schlechten Deal und damit innenpolitische Turbulenzen. Vielleicht hofft man in Brüssel, dass es sich die Briten dann doch nochmal überlegen und den Exit vom Brexit vollziehen. An den Rest der EU soll das Signal gesendet werden: Kommt bloß nicht auf dumme Gedanken und schluckt, was Brüssel vorschreibt. Sonst geht es euch wie den Briten!

Der schlechte Deal soll am Dienstag im britischen Unterhaus abgestimmt werden. Wir unterstützen die Position von Labour-Chef Jeremy Corbyn, der sich gegen das Abkommen ausspricht, weil es nicht den Interessen der britischen Bevölkerung entspricht und auch nicht den zentralen Motiven für das Brexit-Votum von 2016 Rechnung trägt.

Brexit-Exit oder der harte, ungeordnete Austritt?

Doch was dann? Ein geordneter Brexit zum Stichtag Ende März wäre wohl erstmal vom Tisch. Premierministerin May müsste innerhalb von drei Tagen einen neuen Plan vorlegen. Dass sie dann substanzielle Zugeständnisse aus Brüssel bekommt, ist eher unwahrscheinlich, zeigten sich doch Verhandlungsführer Michel Barnier und Co. bisher stets unnachgiebig.

Damit würden Extremlösungen wahrscheinlicher, also entweder der Brexit-Exit oder der harte, ungeordnete Austritt. Beides wäre fatal. Würde der Brexit abgeblasen werden, wäre das ein Freifahrtschein für die EU-Technokratie, ihren Liberalisierungs- und Kürzungsagenda gnadenlos zu verschärfen. Schließlich gäbe es dann erstmal keine Alternative mehr zur Clubmitgliedschaft. Wenn schon Großbritannien den Austritt nicht gemeistert bekommt, wie soll das dann etwa für Portugal oder Italien möglich sein? Zudem würde man das Ergebnis des Referendums von 2016 nicht anerkennen, was einem demokratiepolitischen Skandal gleichkäme.

Der ungeordnete Brexit hingegen könnte zu einem erneuten Aufflammen des Nordirland-Konfliktes führen. Der Frieden auf Basis des Karfreitagsabkommens ist keineswegs stabil, sondern lebt von der faktischen Abwesenheit einer inneririschen Grenze. Im Falle eines harten Brexits ließe sich eine solche Grenze jedoch kaum vermeiden. Hier zu zündeln sollte sich für alle, die sich noch an die blutigen Auseinandersetzungen erinnern, von selbst verbieten. Zudem wäre der ungeordnete Austritt ein Angriff auf die Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger und umgekehrt. Ihr Aufenthaltsstatus wäre vakant. Ganz zu schweigen von den erheblichen wirtschaftlichen Risiken für beide Seiten. Gerade für die deutschen Exportunternehmen ist Großbritannien ein enorm wichtiger Absatzmarkt.

Es braucht einen fairen Deal für beide Seiten

Soll es eine gute Lösung geben, führt daher kein Weg an einer Verlängerung des Verhandlungszeitraums und umfassenden Nachverhandlungen vorbei – mit dem Ziel, zu einem fairen Deal für beide Seiten zu kommen. Der erste Schritt wären Neuwahlen. Sollte ihr Deal scheitern, muss May den Weg frei machen. Wir unterstützen die Labour-Partei in dieser Forderung und hoffen auf einen Premierminister Jeremy Corbyn. Niemand wäre besser in der Lage, in den Verhandlungen die Interessen der Briten zu vertreten und zu einem vernünftigen Deal zu kommen!