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Vernetzungskonferenz für ein demokratisches Brasilien

Brasilien nach dem Amtsantritt von Jair Bolsonaro

Nachricht von Heike Hänsel,

Drohungen gegen die Opposition, politische Justiz, Rassismus, Repression gegen Indigene und LandarbeiterInnen, Abholzung des Regenwaldes – die rund 70 TeilnehmerInnen einer Brasilien-Konferenz im Bundestag zeichneten ein düsteres Bild von der Situation nach Amtsantritt des Ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro.

In der Debatte wurde schnell klar: Deutschland kommt Verantwortung dabei zu, politische und soziale Menschenrechte in Brasilien zu wahren. 1.300 deutsche Firmen haben im Großraum São Paulo einen Sitz. "Wir haben die Befürchtung, dass die Wirtschaftspolitik von Bolsonaro auf Kosten der Armen geht", sagte eine brasilianische Aktivistin. Stefan Ofteringer von Misereor wurde konkreter: "Wir müssen uns jetzt auch Gedanken über die Verantwortung deutscher Unternehmen machen und etwa auf Aktionärsversammlungen orientieren", sagte er. Der Dammbruch im brasilianischen Bundesstaat Minais Gerais sei ein Beispiel dafür.

Unzufrieden mit der Informationspolitik der Bundesregierung zeigte sich der entwicklungspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Uwe Kekeritz: "In der Antwort auf eine Anfrage über Brasilien an die Bundesregierung wurde lediglich aus einem allgemeinen Text von der Website des Wirtschaftsministeriums zitiert", sagte er. Dennoch sei die Marktorientierung der deutschen Brasilien-Politik offensichtlich, in der mit Exportinitiativen, Markterschließungsprogrammen sowie der Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmend aus Deutschland argumentiert wird. Kekeritz wies auch darauf hin, dass bereits über 20 Prozent des brasilianischen Regenwaldes angeholzt sind. "Bei 25 Prozent ist nach Expertenmeinung die kritische Masse erreicht, dann werden die Schäden irreparabel sein."

Die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Heike Hänsel regte an, systematisch und fraktionsübergreifend mit deutschen und brasilianischen AktivistInnen zu arbeiten. Die Vernetzungstreffen im Bundestag könnten dabei schon stattfindende Arbeitsstrukturen in Berlin und anderen deutschen Städten ergänzen. "Lasst uns versuchen, auf verschiedene Ausschüsse des Bundestags einzuwirken, denn die deutsche Regierungslinie gegenüber Brasilien betrifft nicht nur die Außenpolitik, sondern auch die Entwicklungs- und Rüstungspolitik", sagte sie. Außerdem seien die bereits beteiligten Abgeordneten Ansprechpartner bei Eilaktionen zu bedrohten ParlamentarInnen und AktivistInnen. Über mündliche Fragen im Parlament könne das öffentliche Interesse am Geschehen unter Bolsonaro weiter aufrechterhalten werden. Zum ersten Jahrestag der Ermordung der Frauenrechtlerin und linken Stadträtin Marielle Franco am 14. März ist zudem eine Aktion in Berlin geplant.

Viel Arbeit steht bevor: Die Kampagne für die Haftentlassung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Der Journalist Hinnerk Berlekamp verwies auf bereits laufende Arbeit deutscher Juristen zu dem Thema; auch die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) hatte die zahlreichen Verstöße gegen die Prozessordnung im Lula-Verfahren kritisiert. Dass der damalige Ermittlungsrichter Sérgio Moro nun zum Justizminister im Bolsonaro-Kabinett aufgestiegen ist, sahen die Teilnehmer als weiteren Beleg für den repressiven Charakter der neuen brasilianischen Justiz.

AktivistInnen und ParlamentarierInnen wollen sich künftig halbjährlich treffen, um gemeinsame Initiativen zu Brasilien zu besprechen. Dabei sollen dann auch Vertreter anderer Fraktionen mit am Tisch sitzen, die für ein demokratisches Brasilien eintreten.