Zum Hauptinhalt springen

»Bewegung hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit dringend geboten«

Interview der Woche von Ulrich Maurer, Katrin Werner,

Die Bundestagsabgeordneten Katrin Werner, Rheinland-Pfalz, und Ulrich Maurer, Baden-Württemberg, über die anstehenden Landtagswahlen in ihren Bundesländern und deren Bedeutung für die Arbeit der Bundestagsfraktion

Im Reigen der Landtagswahlen kam nach Hamburg jetzt die Reihe an Sachsen-Anhalt. Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Ulrich Maurer: Es ist ein erfreuliches Ergebnis. In absoluten Stimmen haben wir sogar zugelegt. Die Nazis sind nicht in den Landtag gekommen, und die Wahlbeteiligung ist gestiegen. Somit ein guter Tag für die Demokratie. Es ist nun an der SPD, ob sie gemeinsam mit der LINKEN Politik für Sachsen-Anhalt gestalten will, oder ob sie lieber wieder einfach weiter unter der CDU mitherrscht, ohne sich um die Belange der Bürgerinnen und Bürger kümmern zu müssen.

In den Umfragen für Rheinland-Pfalz sieht es so aus, als ob die LINKE gute Chancen hätte, in den Landtag einzuziehen – 5% plus X. Damit wäre Kurt Beck seine absolute Mehrheit los. Wie will die LINKE das nutzen?

Katrin Werner: Wir plakatieren landauf, landab »DIE LINKE in den Landtag! Damit die Arroganz der Macht ein Ende findet«. 20 Jahre SPD und 16 Jahre Beck – das tut der politischen Kultur, wie auch dem Land, nicht gut. Politischer Filz gedeiht, insbesondere wenn es um Großprojekte wie den Hochmoselübergang, den Nürburgring oder das Hotel Bad Bergzabern geht, die über die Köpfe der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer hinweg beschlossen werden. Wenn DIE LINKE am Sonntag in den Landtag einzieht, dann verliert Beck seine absolute Mehrheit und muss sich bewegen. Nach 16 Jahren wäre Bewegung hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit dringend geboten. DIE LINKE im Landtag wird ihre Position nutzen, um den Betroffenen der unsozialen Politik der letzten Jahre eine Stimme auf der parlamentarischen Bühne zu geben. Mit einer starken LINKEN im Landtag bieten sich mehr Gestaltungsmöglichkeiten. DIE LINKE kann die neue Landesregierung unter Druck setzen und so die Weichen stellen für mehr Inklusion in der Bildungspolitik, für gute Arbeit und gute Löhne. Die SPD wird sich in der Bildungs- und Sozialpolitik an unseren Vorgaben messen lassen müssen.

In Baden-Württemberg sieht es für DIE LINKE etwas knapper aus, aber auch hier ist es zu schaffen. SPD und Grüne haben immerhin schon erklärt, dass sie zu einer Koalition mit der LINKEN bereit wären. Wie seriös sind diese Erklärungen?

Ulrich Maurer: Ich nehme ihre Angebote sehr ernst. Kretschmann und Schmid wollen nicht den gleichen Fehler machen wie Ypsilanti, die eine Koalition mit uns erst ausschloss, dann doch wollte und dann von der eigenen Partei abgestraft wurde. SPD und Grüne wissen, dass es nur mit der LINKEN einen Regierungswechsel geben wird.

Angela Merkel hatte seinerzeit die Landtagswahlen als »Volksentscheid« über Stuttgart 21 bezeichnet. DIE LINKE hatte sich – auch auf Bundesebene – stark für den Erhalt des Kopfbahnhofes engagiert und sogar ein eigenes Bahnkonzept für Baden-Württemberg entwickelt. Wie zahlt sich das jetzt aus?

Ulrich Maurer: DIE LINKE ist die einzige Partei, die gegen das Milliardengrab Stuttgart 21 ist. Die SPD ist für  Stuttgart 21 und die Grünen, wollen das ganze von einem Volksentscheid abhängig machen. In der vergangenen Woche war ich in Baden-Württemberg unterwegs und viele Bürger sagten mir, sie wollen diesmal auf die Kanzlerin hören und deswegen DIE LINKE wählen.

Was in Baden-Württemberg Stuttgart 21 ist, heißt in Rheinland-Pfalz Hochmoselbrücke. Was hat es damit auf sich, was will DIE LINKE?

Katrin Werner: Die Hochmoselübergang ist ein Verkehrsprojekt, das Milliarden Steuergelder frisst. Für die Bevölkerung bringt der Übergang jedoch überhaupt keinen Vorteil. Im Gegenteil: Es sind auch Landesmittel, die hier aufgebracht werden. Den Bürgerinnen und Bürgern wird in die Tasche gegriffen für ein Projekt, das die Kulturlandschaft der Mosel verschandelt. Dies wirkt sich natürlich negativ auf den Tourismus in der Moselregion aus. Historische Tempelanlagen als kulturelles Erbe, die bei Ausgrabungen gefunden wurden, werden durch den Bau in Mitleidenschaft gezogen. Auch der Weinbau wird erheblich leiden. Die Wasserversorgung der Weinberge wird abgegraben und die besten Riesling-Weinlagen der Welt gehen zu Grunde. Die übrigens von SPD, CDU und FDP hochgelobten Wirtschaftsvorteile des Hochmoselübergangs wurden schon vor Jahren von einer Studie widerlegt. Schlimm ist aber, dass die Etablierten nicht nur unbelehrbar sind und sich sämtlichen Gegenargumente verschließen, sondern dass sie auch noch die Unverfrorenheit besitzen, die klare Ablehnung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger einfach zu ignorieren. Dies ist wahrlich Arroganz der Macht. Auch dafür sollte es am 27. März einen Denkzettel geben.

Das ist aber sicher nicht das einzige Thema, das DIE LINKE in Rheinland-Pfalz bewegt. Wofür engagieren Sie sich noch?

Katrin Werner: Das Bildungsministerium hat am Landtag vorbei einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr geschlossen, so dass Jungoffiziere über die Kriegsdoktrin an Schulen unterrichten können. Das ist ein Skandal. Wir kämpfen gegen diese extreme Form der Militarisierung der Gesellschaft. In der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige (LUfA) in Trier und im Abschiebegefängnis in Ingelheim leben Migrantinnen und Migranten unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen. Die SPD hat es in all den Jahren nicht fertiggebracht, diese Institutionen aufzulösen und diese Menschen vernünftig unterzubringen. Dazu braucht es DIE LINKE im Landtag, die das Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzt. Wir streiten für die Einführung von Sozialtickets im Kulturbereich und im öffentlichen Personennahverkehr, weil wir wollen, dass auch Menschen mit geringem Einkommen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Natürlich kämpfen wir auch für eine Schule für alle. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen und keine soziale Selektion bereits nach der vierten Klasse. Wir wollen, dass Schülerinnen unterschiedlichster sozialer Herkunft mit verschiedenen Stärken und Schwächen nebeneinander und miteinander lernen. Eine Schule für alle ist auch für Kinder mit Behinderung da. Das verstehen wir unter Inklusion.

Ein großes Thema im Wahlkampf war bisher auch die Atompolitik. Die Bundesregierung hatte erst jüngst die Verlängerung der AKW-Laufzeiten im Bundestag durchsetzen können – gegen die Opposition, gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Jetzt, angesichts der katastrophalen Ereignisse in Japan, setzt die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung kurzzeitig aus und will die ältesten sieben AKW für diese Zeit vom Netz nehmen. Noch-Ministerpräsident Mappus verkündet gar, dass mindestens zwei der ältesten AKW im Ländle nicht mehr ans Netz gehen werden. Alles nur Wahlkampftaktik?

Ulrich Maurer: Selbstredend handelt es sich nur um Wahlkampfgeplänkel. Nach drei Monaten sind die abgestellten AKW wieder am Netz. Moratorium kommt im Übrigen von dem lateinischen Wort morari, was verzögern oder aufschieben bedeutet. Insofern ist es klar, dass Frau Merkel nur die Wahlen heil überstehen will.

Bundesweit zeigt sich der Aufschwung am Arbeitsmarkt insbesondere im Bereich der Leiharbeit. Inwiefern ist Rheinland-Pfalz davon betroffen?

Katrin Werner: Die Leiharbeit ist in Rheinland-Pfalz dramatisch um fast 30 Prozent gestiegen. Von den Leiharbeitern erhalten mehr als 80 Prozent ein Gehalt auf Niedriglohnniveau. Davon kann man nicht leben. Niedriglöhne in Rheinland-Pfalz belasten aber auch die öffentlichen Kassen. Allein in Rheinland-Pfalz wurden im Juli 2010 1.694.076 Euro an Aufstocker gezahlt. Das sind aufs Jahr hochgerechnet mehr als 20 Millionen Euro. Deshalb muss Leiharbeit auf drei Monate begrenzt werden. Es muss von vornherein gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit unter der Maßgabe von mindestens 10 Euro Mindestlohn. Nur so bekommen wir gute Arbeit in Rheinland-Pfalz.

Welche Auswirkungen erhoffen Sie sich vom Ausgang der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz über die Landesebene hinaus auf die Bundespolitik – gerade angesichts eines möglichen Einzugs der LINKEN in den Landtag in Mainz?

Katrin Werner: Zöge DIE LINKE in den Landtag, dann wäre das auch ein Signal an die Politik in Berlin. Kurt Beck hat sich auf Bundesebene feiern lassen, weil er mit Seehofer 8 Euro mehr Hartz IV ausgekungelt hat. Das ist ein Hohn für die Betroffenen. Eine LINKE, die Beck im Landtag unter Druck setzt, ist auch ein klares Signal gegen diese dreiste unsoziale Bundespolitik. Außerdem ist Rheinland-Pfalz im Bundesrat vertreten. Wir werden dafür arbeiten, dass auch von hier ein Zeichen für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit nach Berlin geht. Die Regierenden haben versucht, uns etwa bei den Hartz IV-Verhandlungen auszuschließen und sich damit der einzigen kritischen Stimme zu entledigen. Das ist schädlich für die Demokratie. Mit einem Einzug in den Mainzer Landtag wird DIE LINKE als ernstzunehmender, unverzichtbarer sozialer Korrekturfaktor gestärkt. Je stärker DIE LINKE, desto sozialer das Land.

Und Baden-Württemberg: Kann es einen wirklichen Politikwechsel geben ohne DIE LINKE im Landtag?

Ulrich Maurer: Einen Politikwechsel wird und kann es nur mit der LINKEN geben. Zum einen wird es rechnerisch nur mit den Stimmen der LINKEN zu einem Wechsel kommen, zum anderen benötigen SPD und Grüne jemanden, der sie immer daran erinnert, was sie vor der Wahl versprochen hatten. Deswegen: Mappus weg, nur mit links!

linksfraktion.de, 21. März 2011