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Berlins griechischer Weg in Spanien geht zu Lasten der Menschen

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Kommentar

Von Alexander Ulrich, für DIE LINKE Obmann im Europaausschuss und Mitglied der Deutsch-Spanischen Parlamentariergruppe des Bundestages
 

 

 

Die aktuellen Entwicklungen in Spanien drohen, eine neue Etappe der Krise einzuläuten. Und die Bundesregierung spielt dabei einmal mehr eine unsägliche Rolle. Am Samstag kündigte die spanische Regierung an, Hilfskredite für die maroden Banken aus dem sogenannten Rettungsschirm zu beantragen. Schon Tage zuvor erhöhte Berlin der Druck in diese Richtung. Die Kommunikation war, dass Spanien die Kredite dringend brauche und dass es keine Ausnahmen bei den Auflagen geben werde. So hat die Bundesregierung aktiv dazu beigetragen, Spanien unter den Rettungsschirm zu drängen.

Dass die spanischen Banken Probleme haben und dass hier gehandelt werden muss, ist unstrittig. Doch der Weg, der nun eingeschlagen wird, ist problematisch. Die vergangenen EFSF-Rettungsaktionen lassen darauf schließen, dass Spanien verpflichtet werden wird, den privaten Bankensektor aufrecht zu erhalten und für angeschlagene Banken zu haften. Das kann angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage ganz schnell aus dem Bankenproblem ein Staatsproblem machen. Die logische Konsequenz wäre es, den großen Rettungsschirm aufzuspannen, also Kredite an den Staat zu geben und dafür weitreichende Kürzungsprogramme zu verlangen. Wie in Griechenland würde die Rezession noch verschärft werden. Eine Überwindung der Krise würde in weite Ferne rücken.

An den Ursachen der spanischen Krise geht dieser Weg vorbei. Ähnlich wie in den USA ist 2007 eine riesige, schuldenbasiert aufgeblähte Immobilienblase geplatzt. Viele Banken mit starker Schlagseite zum Hypothekengeschäft sind in Finanzierungsschwierigkeiten geraten, die sie bis heute nicht überwunden haben. Die Folge ist eine permanente Kreditklemme für die produzierende Ökonomie - was die Krise ausweitet, viele Kleinunternehmer ihrer Existenzgrundlage beraubt sowie ein Rekapitalisierungsbedarf von bis zu 80 Milliarden Euro verursacht.

Es besteht also durchaus Handlungsbedarf. Dabei muss man bedenken, dass die spekulative Ausrichtung der Geschäftsmodelle am Anfang der Krise stand. Deswegen sind Rekapitalisierungen nur akzeptabel, wenn zugleich die Geschäftsmodelle mi Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen und der Menschen in Spanien geändert werden. Genau dem steht aber die Logik der EFSF-Rettungsaktionen im Weg. Stattdessen führt sie zu einer Rettung der Banken zu Lasten der Menschen.

Akut notwendig wäre eine Intervention der EZB, um die Zinsentwicklung bei spanischen Staatsanleihen zu beeinflussen. Statt Geld für ein Prozent Zinsen an Privatbanken zu verleihen, die es dann für 7 Prozent an Spanien weitergeben, sollte ein direkter Kreditfluss von der EZB an die Mitgliedsstaaten organisiert werden. Das hätte auch den Nebeneffekt, dass die Ratingagenturen entmachtet werden würden, die mit ihrer interessengeleiteten Politik die Probleme permanent weiter verschärfen.

Die Bundesregierung treibt - wenig überraschend - einen anderen Weg voran. Wenn sich die hier entwickelten Befürchtungen bewahrheiten, dann hievt sie damit die Krise in eine neue Dimension. Anders als bei Griechenland und Portugal ginge es vorrangig nicht mehr "nur" um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung einzelner, kleiner Mitgliedstaaten, sondern um die EU als Gesamtes. Diese hat bereits heute mit einer existenzbedrohenden Krise zu kämpfen. Ob sie in der Lage wäre, eine tiefe wirtschaftliche Krise ihrer viertgrößten Ökonomie zu überleben, ist mehr als fragwürdig.

Es spricht leider immer mehr dafür, dass Angela Merkel als die Kanzlerin in die Geschichte eingehen wird, die die Europäische Integration zerstört hat. Dann wird sich allerdings niemand damit rausreden können, dass es keine Alternative gab. In Europa werden viele gute Ideen diskutiert, von Zentralbankinterventionen über Eurobonds und gezielte Wachstumsimpulse in den Krisenländern bis hin zu einer harmonisierten Steuerpolitik, die der Steuerwettbewerb beendet. Es ist die Bundesregierung, die alles blockiert, was ihrem Kürzungsdogma nicht entspricht. Ein Hoffnungsschimmer besteht darin, dass sie sich mit dieser Haltung immer weiter isoliert und sich immer mehr gezwungen sieht einzulenken.

linksfraktion.de, 11. Juni 2012