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Auch bei Clearstream und BaFin will man kaum etwas gewusst haben

Im Wortlaut von Richard Pitterle,


                                                                                       Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Bei der letzten Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss zu den Cum/Ex-Geschäften wurde vor allem der Zeitraum ab 2009 ins Visier genommen. Damals hatte das Bundesfinanzministerium nach Hinweisen auf Cum/Ex-Geschäfte großen Ausmaßes weitere Maßnahmen eingeleitet, um die Geschäfte zu unterbinden. Die endgültige Lösung ließ jedoch noch bis 2012 auf sich warten. Erst dann wurde im OGAW-IV-Umsetzungsgesetz die ausschlaggebende Schwachstelle beseitigt: Von nun an waren nämlich nicht mehr die Aktiengesellschaften, sondern die die Dividenden und Kompensationszahlungen auszahlenden Banken zum Einbehalt und zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer an das Finanzamt verpflichtet. Wenn durch die Banken danach eine Steuerbescheinigung ausgestellt wurde, lag dem fortan in jedem Fall eine jeweilige Kapitalertragsteuerzahlung zugrunde.

Mit Thomas Rockstroh und Mathias Papenfuß waren zunächst zwei Herren von der Clearstream Banking AG Frankfurt geladen. Clearstream kommt im Aktienhandel eine Schlüsselposition zu: Dort werden Wertpapiere verwahrt und Transaktionen abgewickelt. Trotz dieser vermeintlichen Position als "Spinne im Netz" konnten die beiden Zeugen jedoch nicht viel zur Aufklärung beitragen. Von der Existenz von Cum/Ex-Geschäften habe man zwar seit 2002 gewusst. Man habe jedoch intern nicht erkennen können, ob es sich bei einem Aktiengeschäft um einen Leerverkauf handelte. Das wäre jedoch zur Identifikation von Cum/Ex-Geschäften zwingend notwendig gewesen.

»Wenn wir es wüssten, sollten wir es nicht sagen«

Eigentümlich mutete ein interner Mailwechsel im Hause Clearstream aus dem Jahr 2009 an. Die Finanzverwaltung hatte zu einem Treffen geladen, um auszuloten, wie man gegen die Cum/Ex-Geschäfte vorgehen könne. Bei Clearstream bereitete man dafür eine Präsentation zur eigenen Rolle bei der Abwicklung von Aktiengeschäften für die Vertreter der Finanzverwaltung vor. Bei der Frage zum Ausmaß der Geschäfte wird in den internen Mails festgestellt, dass man zu den Summen keine Aussage treffen könne, weil man es nicht wisse und selbst wenn man es wüsste, sollte man es nicht sagen. Das Aufklärungsinteresse scheint sich demnach offenbar in Grenzen gehalten zu haben.

Als nächster Zeuge war Jürgen Nording von der dwpbank geladen. Er machte bei Beratungen mit Clearstream und dem Bankenverband bereits 2009 den erst 2012 umgesetzten Vorschlag, die Steuerabzugsverpflichtung von den Aktiengesellschaften auf die auszahlenden Kreditinstitute zu verlagern, drang damit aber nicht durch. Zurecht wies er darauf hin, dass in der Tat bereits 2009 bei der Einführung der Abgeltungsteuer und der umfassenden Reform des Kapitalertragsteuerrechts eine passende Gelegenheit zur Umsetzung seines Vorschlages vorhanden gewesen wäre. Erfreulicherweise konnte sich Herr Nording auch problemlos daran erinnern, wer auf Seiten des Bundesfinanzministeriums für seinen Tätigkeitsbereich zuständig war. Erstaunlicherweise scheint sich ausgerechnet diese Erinnerung bei fast allen bisherigen Zeugen seitens des Bankenverbandes oder seitens Clearstream schon verflüchtigt zu haben.

Hase-und-Igel-Spiel beginnt stets aufs Neue

Zuletzt war noch Peter Kruschel von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin geladen. Die Cum/Ex-Geschäfte seien bei der BaFin erst 2013 zum Thema geworden. Außerdem habe man im für die Cum/Ex-Geschäfte maßgeblichen Steuerrecht keine sonderlich ausgeprägten Kompetenzen. So waren in Kruschels Abteilung, die auch für den Aufsehen erregenden Fall der durch die Verstrickung in Cum/Ex-Geschäfte verursachten Pleite der Maple-Bank zuständig war, gerade einmal acht Mitarbeiter für 60 Auslandsbanken zuständig. Bei den Banken wiederum sei ein Heer an bestbezahlten Spezialisten angeheuert, die den staatlichen Stellen immer einen Schritt voraus seien. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, dass das Hase-und-Igel-Spiel zwischen Finanzzockern auf der einen und dem Fiskus auf der anderen Seite nach jeder Maßnahme, mit der ein Schlupfloch geschlossen werden soll, stets aufs Neue beginnt.


linksfraktion.de, 28. Juni 2016