Zum Hauptinhalt springen

Armuts- und Reichtumsbericht zum Ausgangspunkt für Politikwechsel machen

Nachricht,

Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales

Am 12. Dezember 2011 wurde im Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Anhörung zur Armuts- und Reichtumsberichterstattung durchgeführt. Dabei stand auch ein Antrag der LINKEN zur Debatte. In diesem Antrag stellt DIE LINKE fest, dass angesichts von mittlerweile drei Armuts- und Reichtumsberichten von einem Erkenntnisproblem nicht (mehr) die Rede sein kann. Seit über zehn Jahren werden entsprechende Berichte vorgelegt – und parallel wachsen Armut, soziale Ausgrenzung und soziale Ungleichheit. Also mangelt es nicht an Daten und Informationen, sondern an dem politischen Willen etwas gegen Armut und soziale Ungleichheit zu unternehmen. Schlimmer noch: Das Regierungshandeln verschärft die soziale Polarisierung. Insbesondere seit dem Jahr 2000 ist dieser Prozess deutlich erkennbar. 

Diesen Befund  bestätigen auch die vorliegenden Stellungnahmen zur Anhörung. Besonders bemerkenswert sind die Ausführungen von Dr. Stefan Bach, Dr. Rudolf Martens und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Dr. Stefan Bach berichtet für das vergangene Jahrzehnt  „von einer bemerkenswerten Umverteilung von den Arbeitseinkommen zu den Unternehmens- und Vermögenseinkommen.“ Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen sei gegenüber den 1990er Jahren um etwa 5 Prozentpunkte gesunken. „Dies entspricht 100 Milliarden Euro im Jahr oder 4 Prozentpunkte des BIP.“ Werde der Verteilungsprozess genauer analysiert, so zeige sich: „das Wirtschaftswachstum der letzten Dekade ist großteils bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen gelandet. (…) Somit ist ein großer Teil des Wirtschaftswachstums der letzten 10 Jahre bei den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung angefallen und davon vermutlich wiederum ein beachtlicher Teil bei den reichsten 1 Prozent.“ Dr. Martens stellt diese Entwicklung in den Zusammenhang der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Der DGB bestätigt dieses Bild mit aktuellen Daten aus dem ersten DGB Verteilungsbericht und ergänzt mit Verweis auf den aktuellen Datenreport 2011, dass auch die Agenda 2010 mit ihren Leistungseinschnitten bei den sozialen Sicherungssystemen zu der wachsenden Ungleichheit beigetragen hat.

Die konservativ-liberale Regierung verschärft mit ihrer Politik die soziale Ungleichheit weiter: Das menschenwürdige Existenzminimum als Grundlage für die Leistungen der Grundsicherungssysteme wurde kleingerechnet, mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2010 wurden massenhaft Sozialleistungen gekürzt und die jüngste „Reform“ der arbeitsmarktpolitischen Instrumente streicht Instrumente und finanzielle Mittel für die Förderung von Arbeitslosen.  

Angesichts dieses Befundes fordert DIE LINKE, dass die Bekämpfung der sozialen Ungerechtigkeit ins Zentrum der politischen Agenda  gehört. DIE LINKE schlägt daher vor, dass die Berichterstattung um zusätzliche Aspekte ergänzt werden muss. So sollte zukünftig untersucht werden, wie sich konkrete Regierungspolitiken auf Armut und soziale Ungleichheit auswirken. Dieser Vorschlag ist von verschiedenen Sachverständigen positiv aufgegriffen worden. Frau Dr. Becker weist darauf hin, dass frühere Ansätze im Rahmen des 2. Armuts- und Reichtumsberichts leider nicht fortgesetzt wurden. Auch sollten die Kosten von Armut, Ausgrenzung und sozialer Ungleichheit geschätzt werden. Rudolf Martens von der paritätischen Forschungsstelle hat einen Vorschlag präsentiert, wie dies umgesetzt werden kann.  Er verweist auf die Analysen der gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit als Anhaltspunkt. Diese Kosten schätzte das IAB für 2007 auf 68 Milliarden Euro. Ein analoges Vorgehen sei für die Kosten von Armut und sozialen Ungleichheit zu empfehlen.

Schließlich muss nicht nur die Berichterstattung verbessert werden. Zentral ist, dass die Berichterstattung als Ausgangspunkt für einen Politikwechsel zu mehr sozialer Gerechtigkeit ausgebaut wird. Der Abgeordnete Matthias W. Birkwald fordert daher ein politisches Programm gegen Armut und soziale Ungleichheit als Konsequenz aus der Anhörung und der Berichterstattung. Die wesentlichen Elemente eines solchen Programms – von der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns über die Bekämpfung von prekärer Beschäftigung bis zu der massiven Anhebung der Regelsätze für Grundsicherungsbeziehende – sind in dem Antrag der LINKEN bereits ausgeführt. Sie müssen jetzt nur noch umgesetzt werden, damit der nächste Armuts- und Reichtumsbericht erstmals eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse darstellen kann.