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Armut und Lohndumping per Gesetz – jetzt mit Hartz V

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

Von Michael Schlecht

Angela Merkel und Guido Westerwelle wollen Erwerbslosen gerade einmal fünf Euro mehr zugestehen. Für zwei Millionen Kinder, die in »Hartz-IV-Haushalten« leben, gibt es keine Erhöhung. Sie werden mit Sachleistungen abgespeist. Der Kommentar von Merkel »Wir sind hier einen sehr, sehr großen Schritt gegangen.« In die weitere Spaltung der Gesellschaft!

Eine Erhöhung von fünf Euro entspräche dem Bedarf, so Sozialministerin von der Leyen. Dies habe das Statistische Bundesamt festgestellt. In den Ohren der Betroffenen ist das blanker Hohn. Sozialverbände und Gewerkschaften fordern seit Jahren eine Erhöhung auf 420 Euro. Die LINKE hat sich mit ihrer Forderung von 500 Euro vom Expertenwissen der Erwerbslosenverbände leiten lassen. Aber diese Sachverständigen sind für die Regierung keine Gesprächspartner. Es wird über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden.

Geht es um Banken und Atomkraftwerke, lässt sich die Regierung von Lobbyisten sogar Gesetzestexte schreiben. Und es wird mit den Herren verhandelt, wie sie es denn gerne hätten. »Noch ein paar Milliarden mehr?«

Das Arbeitslosengeld II soll kümmerlich bleiben, damit »ein Anreiz zur Arbeitsaufnahme« bestehe, betont von der Leyen. Mit den Sanktionen von Hartz IV werden Erwerbslose gezwungen, jede noch so unzumutbare Arbeit anzunehmen. Minijobs, von denen frau nicht leben kann, Hungerlöhne von zwei, drei oder vier Euro. Rund 25 Prozent der Beschäftigen arbeiten für Hunger- und Niedriglöhne. Damit dies so bleibt, gibt es eben nur fünf Euro mehr. Und die Sanktionen sollen verschärft werden. Der Druck auf die Beschäftigten, für Billiglöhne zu arbeiten, steigt, die Gewerkschaften werden geschwächt. Alle wissen: »Wenn ich meinen Job verliere, droht mir der Absturz in die Armut.« Demnächst ohne gleitenden Übergang.

Westerwelle sagt, dass die Regierung »die Interessen der Steuerzahler nicht vergessen« dürfe. Jedoch werden unter dem Titel »Arbeitslosengeld II« mehr als zehn Milliarden Euro unser Steuergelder an Unternehmer verpulvert, die zu geizig sind, die Beschäftigen anständig zu bezahlen. 1,3 Millionen Menschen – die sogenannten Aufstocker – verdienen so wenig, dass sie einen Anspruch auf Hartz IV haben. Diese zehn Milliarden Subventionen wären mit dem gesetzlichen Mindestlohn und viel mehr Vollzeitjobs überflüssig. Die krakenhafte Ausweitung der Minijobs muss beendet werden. Gäbe es den gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro und »Gute Arbeit«, so könnte so viel Geld eingespart werden, dass ein Regelsatz von 500 Euro finanzierbar wäre.

Westerwelle ist kein Anwalt der Steuerzahler. Für Hoteliers hat er eine Milliarde der Steuerzahler verpulvert. Und: Wo war die FDP, wenn es um hunderte Milliarden für die Banker und Finanzzocker ging? Wo war Westerwelle bei dem letzten »Rettungsakt« von 40 Milliarden für die HRE? Vermutlich im Bett, denn die Milliarden wurden wieder über Nacht rübergeschoben.

Neues Deutschland, 29. September 2010