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Foto: Rico Prauss

Arm dran

Kolumne von Dietmar Bartsch,

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag

"Ich bin arm, ich kann mir nichts Billiges leisten", sagt der Volksmund. So hat es seine Logik, wenn hierzulande einerseits der Sozialstaat arm dran ist, andererseits die Bundesregierung locker mit Millionen und Milliarden Euro jongliert, wenn Banken zu retten sind. Die wiederum verdienen sich mit der Staatsverschuldung eine goldene Nase. Die Bilder gleichen sich auf nationaler, europäischer und globaler Ebene. In Deutschland tropfen die Wasserhähne in den Schulen, aber wenn – wie es DIE LINKE will – Reiche für ein Vermögen von über einer Million fünf Prozent Steuern zahlen sollen, droht angeblich der Untergang des Abendlandes. In der Europäischen Union werden Kredite für bedrängte Staaten mit Forderungen nach Privatisierungen, Lohn- und Sozialdumping verknüpft. Ein Hilfsprogramm jagt das nächste und offenbart letztlich nur Hilflosigkeit. Für einen Politikwechsel fehlt den Regierenden der Wille. Der bedeutete nämlich eine stärkere Beteiligung der Vermögenden an den Gemeinkosten.

Gegenwärtig sind so genannte Eurobonds als ein Schritt gegen die Euro- und Schuldenkrise in der Diskussion. DIE LINKE ist seit Jahren für Eurobonds und will, dass die Kanzlerin endlich ihren Widerstand dagegen aufgibt. Zugleich sollten mit diesen Eurobonds keine illusorischen Erwartungen verknüpft werden. Das europäische und weltweite Finanzsystem ist so krank, dass eine Medizin allein es nicht wieder auf die Beine bringt.

Worum geht es? Eurobonds sind gemeinsame Staatsanleihen aller Euroländer, die für die Rückzahlung gemeinsam haften. Sie helfen zu verhindern, dass Spekulanten einzelne Euroländer unter Druck setzen und die Anleihe-Zinssätze hochtreiben. Gegner von Eurobonds verweisen darauf, dass Deutschland als ausfallsicherer Schuldner gilt und die Zinssätze von Eurobonds deshalb über denen von Bundesanleihen liegen werden. Allerdings ist ein großer Anleihenmarkt für Investoren attraktiver als es die heutigen zersplitterten europäischen Anleihenmärkte sind. Das wiederum drückt dann auch die Zinssätze für Eurobonds. Experten gehen davon aus, dass die Mehrbelastung für den Bundeshaushalt durch Eurobonds mittelfristig jährlich bis zu 25 Milliarden Euro betragen wird. Dies ist ein hoher, aber tragbarer Preis, wenn dadurch das Auseinanderfallen der gemeinsamen Währungsunion verhindert werden kann. Unterm Strich nützt das allen Euroländern, weil es die Krisenkosten senkt und die Währungsunion stärkt oder sogar rettet. Von dieser Währungsunion profitiert insbesondere die deutsche Exportwirtschaft. Eurobonds wären so ein Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation. Selbstverständlich bedarf es dazu Koordination und Überwachung in der Eurozone, damit die Vorteile von Eurobonds nicht von einzelnen Staaten auf Kosten anderer ausgenutzt werden.

Die Krise hat sich inzwischen jedoch so zugespitzt, dass Eurobonds alleine nicht ausreichen. DIE LINKE fordert unter anderem, dass Staaten auch zinsgünstige Kredite bei einer öffentlichen europäischen Bank aufnehmen können, sie will, dass eine europaweite Vermögensabgabe und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden, dass Hedgefonds ebenso wie Leerverkäufe verboten werden.

In der am 5. September beginnenden ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause nimmt der Bundestag sein Königsrecht wahr. Dann steht der Bundeshaushalt 2012 auf der Tagesordnung. Es geht um die in Zahlen ausgedrückte Regierungspolitik. DIE LINKE meint, die öffentlichen Haushalte dürfen nicht länger von den Finanzmärkten und privaten Großbanken geknebelt werden. Wir werden deshalb in der Haushaltsdebatte daran erinnern, dass die Regierung ihre Aufträge vom gewählten Parlament und nicht vom Chef der Deutschen Bank erhält. Solange das nicht Praxis ist, leben Herr Ackermann und seinesgleichen weiter im Schlaraffenland und das Volk bleibt arm dran – hier und anderswo.