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Annäherung bei Fiskalpakt

Im Wortlaut,

Verabschiedung des europäischen Sparvertrags vor der Sommerpause wird wahrscheinlicher

Von Ines Wallrodt

Bei dem Spitzentreffen im Kanzleramt sind sich Regierung und Opposition bei der Finanztransaktionssteuer offenbar einig geworden, offen bleiben Maßnahmen für mehr Wachstum.

Es wird noch ein paar Verhandlungsrunden mehr geben, aber lange dürfte es nicht mehr dauern, bis die Regierung die nötigen Stimmen von SPD und Grünen für den Fiskalpakt und den neuen Euro-Rettungsschirm ESM bekommt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) möchte den Vertrag, der den europäischen Ländern strenge Haushaltsdisziplin verordnet, noch vor der Sommerpause unter Dach und Fach wissen. Das scheint nach dem Spitzentreffen der Partei- und Fraktionschefs am Mittwoch nicht unrealistisch zu sein.

Noch wiederholen Sozialdemokraten und Grüne demonstrativ, sie hätten keine Eile. Sie knüpfen ihre Zustimmung unter anderem an die Einführung der Finanztransaktionssteuer sowie an Vereinbarungen für ein Wachstumsprogramm. Gegen den Fiskalpakt selbst haben die beiden Möchtegernregierungsparteien jedoch grundsätzlich keine Einwände. Und nach den zwei Stunden Diskussion im Kanzleramt sprachen beide Seiten am Mittwoch von Annäherungen in strittigen Punkten. Linksfraktionschef Gregor Gysi geht nach dem Verlauf des Treffens davon aus, dass in Kürze eine Zweidrittelmehrheit zustande kommt: »Ich befürchte, der Fiskalpakt wird ratifiziert und zwar vor dem 1. Juli«, sagte er. SPD und Grüne werden seiner Ansicht nach Union und FDP unterstützen. Als Gegenleistung bekämen sie eine Erklärung, wofür sich Merkel auf EU-Ebene genau einsetzen werde. Gysi hält das für »fatal«. Die LINKE lehnt den Pakt als unsozial ab. Sie fordert einen Volksentscheid.

Union und FDP haben zwischenzeitliche Zweifel bei SPD und Grünen am Wert der bisherigen Zusagen zerstreut. Die Koalition habe sich »klar« zur Einführung der Finanztransaktionssteuer bekannt, erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die ersten Schritte wolle die Regierung schon in diesem Monat auf europäischer Ebene in Gang setzen. Zuvor hatte Brüssel die Forderung der Opposition gestützt. Die Steuer könne noch in diesem Jahr beschlossen werden, zitierte die »Süddeutsche Zeitung« die Haltung der EU-Kommission. Voraussetzung sei, dass beim Treffen der EU-Finanzminister kommende Woche in Luxemburg oder im Juli von mindestens neun Ländern ein entsprechender Antrag gestellt werde. Das war peinlich für Regierungsvertreter, die behauptet hatten, die Steuer könne wegen der langwierigen Verfahren auf EU-Ebene nicht in dieser Legislatur umgesetzt werden. Die LINKE traut den Absichtserklärungen weiterhin nicht. Die Fraktion brachte einen Antrag im Haushaltsausschuss ein, die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer in den Nachtragshaushalt für dieses Jahr einzuplanen. Die Koalitionsabgeordneten lehnten das ab. Aus Sicht der LINKEN sollte das SPD und Grünen eine Warnung sein.

Am 21. Juni sollen die Spitzen von Koalition und Opposition erneut im Kanzleramt zusammenkommen. Bis dahin will Kanzleramtsminister Ronald Pofalla noch einmal mit einer Expertenrunde der Parteien zusammenkommen. Merkel will zudem an diesem Donnerstag mit den Bundestagsfraktionen den Zeitplan für die Abstimmung über den europäischen Fiskalpakt besprechen. Nach Angaben der SPD steht dafür der 28. Juni im Raum. Sie will einen Termin aber erst nach einer endgültigen Einigung festlegen.

Zu klären bleiben nach Aussagen von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin die Forderung nach langfristigen Investitionen und nach einem Schuldentilgungsfonds, der den Zinsdruck auf Länder wie Spanien und Italien abmildern soll. Das Europaparlament unterstützt das Konzept, das alle Euro-Staaten für einen Teil der Schulden aufkommen. Auch FDP-Europaabgeordnete stimmten einem entsprechenden Antrag zu. Die Parteifreunde in Berlin halten jedoch nichts davon.

Offen zwischen Regierung und Opposition ist zudem die Frage nach der Beteiligung des Bundestages bei Finanzentscheidungen in Europa. Dazu dürfte das Bundesverfassungsgericht in der nächsten Woche Vorgaben machen. Eine Einigung wäre dann nur noch Formsache.

neues deutschland, 14. Juni 2012