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An der Bundesregierung wird der Investorenschutz nicht scheitern

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,


 

Von Alexander Ulrich


Ihre erste Dienstreise führte die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nach Berlin. Dort wird sie während ihrer Amtszeit häufiger zu tun haben. Schließlich wird ihre Hauptaufgabe darin bestehen, die umstrittenen Handelsabkommen TTIP und CETA samt der darin enthaltenen, besonders umstrittenen, Investorenklagerechte (Investor-to-State-Dispute-Settlement, ISDS) durchzusetzen. Deutschland gilt im Europäischen Rat als einer der schärfsten Gegner solcher Klagerechte.

In der Tat haben VertreterInnen der Koalitionsfraktionen zuletzt regelmäßig ihre Ablehnung gegenüber ISDS zum Ausdruck gebracht. Damit reagieren sie auf die immer lautere öffentliche Kritik. Fälle wie die Vattenfall-Klage auf 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz wegen dem Atomausstieg, haben deutlich gemacht, was es bedeutet, wenn man Konzerne befähigt, gegen Gesetze zu klagen, die ihre Gewinnaussichten schmälern. In Deutschland sind solche Klagerechte daher zurecht ziemlich unpopulär.

Die Bundesregierung musste auf die öffentliche Debatte reagieren und irgendwann beginnen, ISDS offiziell abzulehnen. Das heißt allerdings nicht, dass sie politisch tatsächlich dagegen ist. Zu Beginn der Verhandlungen hatten Merkel & Co. keinerlei Einwände gegen ISDS. Heute haben sie sich zahlreiche Hintertüren offen gehalten:

Hintertür 1: Die SPD hat (gemeinsam mit dem DGB) ein Papier beschlossen, in dem ISDS in TTIP eine rote Linie ist. Auf das wesentlich akutere CETA-Abkommen nimmt das Papier jedoch keinen Bezug. Der CETA-Vertragstext ist ausgehandelt und enthält ISDS – im Einklang mit der SPD-Position. Kommt der Vertrag so zustande, können kanadische Unternehmen und US-Unternehmen mit Niederlassung in Kanada bald gegen europäische Regeln klagen. Es wird dann zwei Jahre später kaum erklärbar sein, warum die gleichen Regeln in TTIP nicht aufgenommen werden sollen.

Hintertür 2: Wirtschaftsminister Gabriel machte bereits deutlich, dass er zwar gegen ISDS sei, aber bereit wäre es zu akzeptieren, wenn das "europäische Gesamtinteresse" an den Abkommen überwiege. Da die meisten EU-Regierungen die Abkommen einschließlich Klagerechten wollen, ist hierdurch ein Nachgeben Deutschland bereits vorprogrammiert.

Hintertür 3: Die harte ISDS-Kritik in der Öffentlichkeit schrumpft in den Verhandlungen auf eine Detailkritik zusammen. Dort fordert die Bundesregierung kein Aus für ISDS, sondern lediglich eine Reihe von Ausnahmen, beispielsweise bei staatlichen Umschuldungsprogrammen oder in steuerpolitischen Fragen.

Hintertür 4: Laut Gabriel ist das Ergebnis der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission zu ISDS für die deutsche Position sehr bedeutend. Der Konsultationsprozess war allerdings so angelegt, dass eine Ablehnung von ISDS als Ergebnis gar nicht möglich ist. Lediglich technische Korrekturen können darüber erreicht werden. Gabriels Bezugnahme darauf läuft also automatisch auf eine Aufweichung der deutschen Ablehnung hinaus.

Malmström dürfte bei Ihrer Abreise aus Berlin recht zufrieden gewesen sein. Der Wirtschaftsminister hatte ihr gegenüber angekündigt, dass Deutschland in den Verhandlungen "flexibler" werden wolle. Er müsse auch viel Rücksicht auf die Standpunkte der europäischen Nachbarn nehmen – die größtenteils aus engagierten ISDS-Verfechtern bestehen. Als habe Deutschland in den letzten Jahren irgendwann ein Problem damit gehabt, seine europapolitische Agenda ohne Rücksicht auf Verluste gegen die "europäischen Nachbarn" durchzudrücken.

Den ISDS-Text in CETA will man, so hieß es gegenüber der Presse, gemeinsam "verändern" und "verbessern". "Verhindern" steht offenbar schon jetzt nicht mehr auf der Agenda.

ISDS wird also an der Bundesregierung nicht scheitern – weder bei TTIP noch bei CETA. Das gilt, solange der Preis der Zustimmung für Gabriel und seine SPD nicht zu hoch wird. Je größer der öffentliche Druck gegen ISDS, desto höher der Preis für eine SPD, die trotzdem zustimmt. Bleiben wir also aktiv – im Parlament, in den Medien, auf den Straßen und Plätzen. Entschieden ist noch nichts!

linksfraktion.de, 17. November 2014