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Alles nur Oper?

Im Wortlaut von Gesine Lötzsch,

Foto: Uwe Steinert

 

 

Von Gesine Lötzsch, direktgewählt in Berlin-Lichtenberg und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

In der Straße Unter den Linden prangt ein riesiges Werbeposter. Der Erlös geht an die Komische Oper. Dort trommelt seit Wochen die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die einflussreiche Lobbyorganisation der Arbeitgeber. Die INSM versucht mit einem Jahresetat von knapp 7 Millionen Euro wirtschaftsliberales Denken in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Unterstützt wird sie dabei von "Botschaftern" - Arnulf Baring, Unternehmensberater Roland Berger, Lothar Späth, Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Auf dem aktuellen Poster steht unter den Bildern von Gerhard Kiesinger und Willy Brandt: Große Koalitionen gab es schon viele, aber keine ohne Steuererhöhungen. Diese Botschaft ist angekommen – nicht nur bei der CDU, sondern auch bei der SPD. War Steuergerechtigkeit im Wahlkampf noch ein großes Thema von SPD und Grünen, ist die SPD kurz nach den Wahlen davon abgerückt.

Viel haben Union und SPD versprochen: Mehr Kindergeld, höhere Mütterrenten, höhere Frührenten, mehr Geld für Bildung in Kita, Schule und Universität, Investitionen in Straßen und Brücken. Das sind in der Tat wichtige Vorhaben, die aber kosten - mindestens 60 Milliarden.

Genügend Geld für notwendige Vorhaben bekommt man auf drei Wegen. Erstens: Ein gerechtes Steuersystem. Die LINKE will alle entlasten, die weniger als 6.000 Euro im Monat verdienen. Wer mehr bekommt, kann auch mehr bezahlen. Das ist verkraftbar und gerecht.

Zweitens: Die gesetzlichen Steuern müssen auch eingetrieben werden. Wegen nicht erfolgter Steuerprüfungen fehlen jährlich bis zu 70 Milliarden im Staatssäckel. Schlimmer noch: Es gibt Bundesländer, die damit Werbung machen, dass bei ihnen selten Steuerprüfungen durchgeführt werden, und sich so einen Standortvorteil erhoffen.

Und drittens müssen die Ausgaben überprüft werden. Auch wenn wir es schon oft gesagt haben, hier trotzdem nochmals: Milliarden werden der Rüstungsindustrie in den Rachen geworfen, Projekte aus der Zeit des kalten Krieges weiter finanziert.

Wenn  die Verhandlungspartner Union und SPD auf Steuergerechtigkeit verzichten wollen – und das heißt eben auf Steuererhöhungen für Reiche -, führen sie eine Oper auf, die leider nicht komisch ist. Das Stück heißt dann nämlich Sozialabbau, Einknicken vor den Interessen von Banken und Lobbyisten. Dann stellt sich wieder einmal die Frage: Wird Politik noch gewählt oder nur noch bestellt? Steuergerechtigkeit ist somit auch eine Frage der Demokratie. Und ohne Steuergerechtigkeit gibt es keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt.
 

linksfraktion.de, 29. Oktober 2013