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Aktuelle "Märchen"-Stunde im Bundestag

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann,

Von Dagmar Enkelmann, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag




Meist tragen Anträge für Aktuelle Stunden im Bundestag recht prosaische Titel. Für ihre am heutigen Donnerstag hatte die SPD allerdings tief in die Sprachkiste gegriffen. Über "Dr. Merkels Märchenstunde" soll der Bundestag debattieren.

Den Titel hatten sich offenbar PR-Strategen ausgedacht. Zu wirkungslos prallten alle bisherigen Angriffe an der so genannten "Teflon-Kanzlerin" ab. Das lässt den Märchenonkel – pardon – Kanzlerkandidaten der SPD mit jedem Tag älter aussehen.

Vielleicht wird sich seitens der SPD Steinbrück persönlich in die Bütt begeben. Möglicherweise berichtet er von einer fernen Zeit, als die SPD im Bundestagswahlkampf 2005 gegen die so genannte "Merkelsteuer" zu Felde zog, also gegen die von der Union angekündigte Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 18 Prozent. Als es nach der Wahl zu einer Großen Koalition kam, rechnete die SPD zwei gegen null auf - und heraus kamen drei Prozent. Die waren kein Märchen, sondern durften von den Bürgerinnen und Bürgern höchstpersönlich bezahlt werden.

In ihrem Wahlprogramm für 2002 hatte die SPD sogar verkündet: "Alle Arbeitsverhältnisse müssen klar normiert, sozial abgesichert und existenzsichernd sein. Flexibilität darf nicht zulasten sozialer Sicherheit gehen." 2003 schon wurde das mit der Hartz-Kommission ins Reich der Fabel verwiesen.

Von der Union werden am Donnerstag ebenfalls Märchen zu hören sein. Unglaubwürdig ist dabei weniger, dass sich ihre Versprechen zu verbesserten Mütterrenten, zur finanziellen Entlastung für Familien, zu Investitionen in Infrastruktur und Bildung, zur Mietpreisbremse und zu regionalen Mindestlöhnen nicht finanzieren ließen. Das meint zwar die SPD, hindert sie aber nicht, bei ihren Wahlversprechen – siehe kostenlose Kita und 850 Euro "Solidar"-Rente noch kräftig draufzusatteln.

Das eigentliche Märchen der CDU besteht darin, dass sie uns weismachen will, ihre Versprechen ließen sich mit der FDP in einer neuen schwarz-gelben Koalition umsetzen. Das nehmen der Union nur Leute ab, die Stroh zu Gold spinnen können. Entweder meint die Union es nicht ernst mit ihren Versprechen oder sie muss sich ab Herbst nach einem neuen Regierungspartner umsehen. Da bleibt nach Lage der Dinge nur die "fabel"-hafte SPD. Nach dem 22. September wird sich dann niemand in der SPD mehr an "Merkels Märchenstunde" erinnern wollen oder erinnert werden wollen. War da was? Die SPD setzt voll aufs Kurzzeitgedächtnis – ihres und das der Wählerinnen und Wähler.
   
Wer übrigens wirklich wissen will, was finanzier- und bezahlbar ist, kann gern auch das Wahlprogramm der LINKEN zu Hand nehmen.

linksfraktion.de, 27. Juni 2013