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1000 Mal besser

Im Wortlaut,

Arno Klarsfeld über die Kandidatur seiner Mutter

Arno Klarsfeld, Sohn der Kandidatin der LINKEN zur Präsidentenwahl, begleitete Beate Klarsfeld gemeinsam mit seinem Vater Serge in den Stunden vor der Wahl in Berlin. Christin Odoj nutzte für »nd« die Gelegenheit zum Gespräch mit ihm.

nd: Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Kandidatur Ihrer Mutter erfahren haben?

Arno Klarsfeld: Ich war natürlich sehr stolz, denn sie hat diese Anerkennung verdient. Sie ist die mutigste Frau, die ich kenne. Sie war immer auf der Suche nach der Wahrheit, die keiner sehen wollte.

Ihre Mutter hat ihr ganzes Leben einer Sache, der Entlarvung und Bestrafung von Naziverbrechern, gewidmet. Wie sehr hat Sie diese ständige Rastlosigkeit beeinflusst?

Ich habe als Anwalt oft an ihrer Seite gestanden, wenn es darum ging, Naziverbrecher und Kollaborateure in Frankreich vor Gericht zu bringen. Meine Eltern und ich, wir haben uns zusammen diesem Lebensziel verschrieben und hätten dafür fast mit dem Leben bezahlt (gemeint sind eine Paketbombe und der Brandanschlag auf das Auto der Familie in den 70er Jahren – C.O.). Das hat die ganze Familie sehr eng zusammengeschweißt.

Beate Klarsfelds Kandidatur galt als aussichtslos. Rein theoretisch, welche Bedeutung hätte ihre Wahl zur Bundespräsidentin gehabt?

Dann hätte sie auf jeden Fall auch Stimmen von der CDU bekommen müssen. Diese Symbolwirkung wäre sehr wichtig gewesen. Die Partei hätte sich endlich eingestanden, dass die Ohrfeige, die meine Mutter Kanzler Kiesinger damals verpasste, dringend notwendig war, um das Land voranzubringen und ihm seine Glaubwürdigkeit wiederzugeben.

Das große Thema Ihrer Mutter war immer die Vergangenheitsbewältigung. Als Bundespräsidentin hätte sie auch mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umgehen müssen.

Die Arbeit meiner Mutter ist doch nichts, was nicht auch mit der Gegenwart zusammenhängt. Sie trug maßgeblich dazu bei, dass sich das Bild Deutschlands im Ausland gebessert hat. Sie hat sich überall auf der Welt für die Einhaltung der Menschenrechte engagiert und beispielsweise gegen die Militärdiktaturen in Südamerika gekämpft. Das sind doch universelle Werte, ohne die man keine Zukunft aufbauen kann.

Sie selbst arbeiten in Frankreich als Berater von Präsident Nicolas Sarkozy, Ihre Mutter kandidierte für die LINKE in Deutschland. Das muss doch zu einigen Diskussionen geführt haben?

Nein, das war überhaupt kein Thema. Natürlich habe ich meine Differenzen mit linker Politik. Ich habe Wehrdienst geleistet, bin proamerikanisch. Bei dem Thema soziale Gerechtigkeit sind wir uns vielleicht einig. Außerdem hatte die LINKE als einzige Partei den Mut, meine Mutter als Präsidentschaftskandidatin aufzustellen, das rechne ich ihr hoch an.

Sie musste ziemlich harsche Kritik für ihre Verbindungen zur DDR einstecken.

Sehen Sie, die DDR wird in 500 Jahren als ein sozialistischer Staat in den Schulbüchern auftauchen – ein wichtiger Teil deutscher Geschichte, keine Frage. Aber woran sich die Welt auch erinnern wird, sind die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die im Nationalsozialismus begangen wurden. Millionen Menschen, darunter Kinder, sind im Holocaust umgekommen. Hier lastet ein unglaubliches historisches Gewicht auf Deutschland, und genau das hat meine Mutter immer beschäftigt.

Wäre sie die bessere Bundespräsidentin gewesen?

1000 Mal besser.
 

neues deutschland, 19. März 2012