Zum Hauptinhalt springen

Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf, um homosexuelle Flüchtlinge vor Verfolgung ausreichend zu schützen

Pressemitteilung von Sevim Dagdelen, Barbara Höll,

Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. über die rechtliche Situation homosexueller Flüchtlinge in Deutschland erklären die Sprecherinnen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und für Migration, Barbara Höll und Sevim Dagdelen:

Die Bundesregierung wird aktuelle Urteile von Verwaltungsgerichten, die homosexuellen Flüchtlingen den Schutz vor Verfolgung verweigert haben, nicht zum Anlass nehmen, gesetzgeberisch tätig zu werden. „Wir halten es für beschämend, dass die Bundesregierung hier keinen Handlungsbedarf sieht, obwohl diese Urteile noch den Muff der 50er Jahre atmen“ erklären Barbara Höll und Sevim Dagdelen. Damit trage sie weiterhin Verantwortung dafür, dass Flüchtlinge sehenden Auges in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen Verfolgung und Diskriminierung drohen.

In ihrer Antwort ( BT-Drs.16/ 2142) hält es die Bundesregierung für vertretbar, dass Menschen zuzumuten sei, ihre Homosexualität zurückgezogen in ihrer Privatsphäre zu leben, um eine politische Verfolgung zu vermeiden. „Bei der Anerkennung von politischer Verfolgung wird auch nicht verlangt, dass die politische Meinung nur im Privaten geäußert werden darf, das ist absurd!“, kritisiert die migrationspolitische Sprecherin Sevim Dagdelen. Die Bundesregierung ignoriere, dass Schwule, Lesben und Transsexuelle oftmals völlig unabhängig davon, wie offen sie ihre sexuelle Identität leben, der Verfolgung ausgesetzt sind. Außerdem sei die Begründung nicht haltbar, dass die Grundsätze zur religiös motivierten Verfolgung auch auf eine Verfolgung wegen Homosexualität anwendbar seien: Nach der so genannten „Qualifikationsrichtlinie“ der EU ist sowohl die öffentliche Religionsausübung asylrelevant als auch die „sexuelle Ausrichtung“ als mögliches Verfolgungsmerkmal vorgesehen. Diese Richtlinie muss die Bundesregierung bis zum 10. Oktober 2006 umsetzen.

Auch müsse die Bundesregierung klarstellen, dass der Schutz nicht erst dann einsetzen darf, wenn die Todesstrafe oder eine unerträglich harte Bestrafung drohe: „Ich vermute dahinter immer noch die Vorstellung, dass eine strafrechtliche Verfolgung Homosexueller als legitim angesehen wird, um die öffentliche Moral aufrechtzuerhalten“, so die Sprecherin für gleichgeschlechtliche Lebensweisen Barbara Höll. Schließlich dürfe von Betroffenen nicht der Nachweis der „Irreversibilität ihrer Identität“ verlangt werden. Höll kritisiert, dass bereits eine solche Prüfung selbst für die Betroffenen diskriminierend sei und dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht widerspreche. Die in der Kleinen Anfrage zitierten Gerichtsurteile machten deutlich, wie wichtig es darüber hinaus wäre, in die Fortbildung von Richterinnen und Richter zu investieren.

Die Antwort der Bundesregierung kann in den Büros Barbara Höll (030 - 227-74229) und Sevim Dagdelen (030 - 227-71353) angefordert werden.