20.10.2016 - Das Bundeswirtschaftsministerium behauptet, dass die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts " im Rat einvernehmlich durchgesetzt" werden konnten. Das ist mitnichten der Fall: Weder werden die geforderten Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgenommen, noch werden die Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses demokratischen rückgebunden, noch wird die Möglichkeit einer einseitigen Aufkündigung der Vorläufigen Anwendung durch Deutschland klipp und klar erklärt.

Die aktuellen Entwicklungen in der Bundesrepublik sind alarmierend. Auf jeder Zigarettenschachtel stand früher: Rauchen gefährdet ihre Gesundheit. Auf vielen Arbeitsverträgen müsste inzwischen stehen: Achtung, Arbeit gefährdet ihre Gesundheit! Immer mehr Beschäftigte arbeiten regelmäßig länger als 48 Stunden in der Woche. Laut dem Institut für Arbeitsmarktforschung wurden allein im letzten Jahr 1,8 Milliarden Überstunden geleistet; nur knapp die Hälfte davon wurden auch bezahlt. Ebenso gestiegen ist die Zahl der Beschäftigten, die regelmäßig am Wochenende, am Sonntag oder nach 18 Uhr bzw. nachts arbeiten müssen. Jeder sechste Beschäftigte arbeitet inzwischen in Schicht. Durch hunderte Studien ist belegt: Solche Arbeitszeiten machen krank! Doch unter dem Deckmantel von Industrie 4.0 fordern die Arbeitgeberverbände eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit. Für Beschäftigte heißt das nicht etwa mehr Raum für Selbstbestimmung, sondern Entgrenzung der Arbeit, Arbeit auf Abruf, keine Bezahlung von Überstunden, Zunahme von Stress. Wir fordern: Wochenhöchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden reduzieren. Ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit und eine Anti-Stress-Verordnung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und: Die zwingende Ausweitung des Mitbestimmungsrechts der Betriebsräte bei Fragen der Zeitsouveränität und des Arbeitsvolumens der Beschäftigten.
Zu den Themen, die die Bundesregierung nicht wahrnehmen will und damit auch keinerlei Lösungskonzepte hat, gehört die wachsende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland. Dazu gehören die viel zu geringen Investitionen und der enorme Exportüberschuss. Diese Bundesregierung müsste dringend die Binnennachfrage stärken - stattdessen feiert sie die unsinnige schwarze Null.
Die aktuellen Wahlergebnisse, insbesondere das von Mecklenburg-Vorpommern, müssen uns aufschrecken. Ein Grund für das Wahlergebnis ist auch die soziale Lage vieler Bürgerinnen und Bürger, von denen uns immer weniger zutrauen, ihre Situation zu verbessern. Die Sozialpolitik der BRD der letzten Jahre bietet sehr viel Ansatz für Enttäuschung. Fast ein Viertel aller abhängig Beschäftigten arbeiten heute im Niedriglohn. Der Mindestlohn ist zu niedrig und führt in Altersarmut. Leiharbeit steigt auf Rekordniveau. Gerade diese Leiharbeitsbranche ist besonders prekär: Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten hier im Niedriglohn.
Die EU-Kommission hat CETA als gemischtes Abkommen in den Rat eingebracht. Eine vorläufige Anwendung von Teilen des Vertrages würde dies jedoch konterkarieren, denn so würden vor den Abstimmungen in den nationalen Parlamenten Fakten geschaffen. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass sowohl Bundestag als auch Bundesrat vor einem Inkrafttreten von CETA über ein entsprechendes Vertragsgesetz abstimmen.
Für viele Beschäftigte hat der Mindestlohn eine deutliche Anhebung der Gehälter bedeutet. Der von CDU/CSU und der Arbeitgeberlobby vorausgesagte Untergang des Abendlandes ist ausgeblieben. Aber dieses Gesetz hat deutliche Mängel. Die viele Ausnahmeregelungen, unpräzise Formulierungen im Gesetz, die Anrechnung von Sonderzahlungen zulassen und die zu niedrige Höhe. Die Antwort des Ministeriums für Arbeit und Soziales auf unsere Kleine Anfrage hat bestätigt, dass der Mindestlohn für viele nicht einmal für das Mindeste im Leben reicht. Das waren die Gründe, warum wir diesem Gesetz damals nicht zugestimmt haben. Und unsere Argumente waren richtig!
Es gibt Stimmen, die die Kostenersparnis durch ein EU-Einheitspatent und ein einheitliches Patentgericht für kleine und mittlere Unternehmen stark in Zweifel ziehen. „Profiteure des ‚Einheitspatent-Pakets‘ sind vielmehr diejenigen, die einen geografisch möglichst breiten Patentschutz benötigen und über die erforderliche Finanzausstattung verfügen, um die hierfür und für die gerichtliche Durchsetzung ausgerufenen Kosten zu tragen."
Durch eine vorläufige Anwendung würden die Teile von CETA, die in EU-Zuständigkeit liegen, in Kraft gesetzt – bevor die nationalen Parlamente über das Abkommen abstimmen durften. Damit werden Fakten geschaffen und die parlamentarische Demokratie ausgehebelt. Das gilt besonders bei einem Abkommen, dass so komplex ist, dass eine klare Trennung in die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche gar nicht möglich ist, und bei einem Vertrag, der so umstritten ist, dass er höchstwahrscheinlich nicht die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erhalten wird. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich solch einem Verfahren widersetzt!
Die TTIP-Leaks zeigen schwarz auf weiß und für alle nachlesbar, welche Positionen EU und USA in den TTIP-Verhandlungen vertreten. Und diese bestätigen genau die Befürchtungen der TTIP-Kritiker: Es soll einen wahren Kuhhandel geben etwa zwischen Agrarzöllen und Zugang für Kraftfahrzeuge oder Erdgasimporten und der Zustimmungen zu privaten Schiedsgerichten. Lobbyisten sollen bei zukünftigen Regulierungsfragen mitsprechen dürfen und Technokratengremien selbstständig und an den Parlamenten vorbei Anhänge des Vertrages verändern dürfen. Es ist höchste Zeit, TTIP zu begraben.
Die Bedeutung der Stahlindustrie in Europa und vor allem hier in Deutschland für unseren Industriestandort und für die in der Stahlindustrie Beschäftigten ist unbestritten. Fast 90.000 Personen arbeiten in Deutschland in der Stahlbranche. Das Ziel der Politik muss sein, diese Arbeitsplätze und Einkommen der Beschäftigten zu erhalten. Ein Hauptfaktor für die schwierige Lage der Stahlindustrie ist die schwache Konjunktur. Für die Nachfrage in der Bundesrepublik und in Europa ist die Bundesregierung mit ihrer Austeritätspolitik und der Politik der schwarzen Null entscheidend mitverantwortlich. Der erste Punkt zur Hilfe der Beschäftigten in der Stahlindustrie wäre also, endlich zu investieren statt zu sparen.