Zuwanderung soll möglichst verhindert werden. Laut Migrationsbericht gelingt das anscheinend auch.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal lohnt es sich, einen Blick auf die vorliegenden Drucksachen zu werfen. Auf Seite 5 der Drucksache 16/7705 heißt es nämlich:Der Migrationsbericht der Bundesregierung verfolgt das Ziel, durch die Bereitstellung möglichst aktueller
aktuell sind sie ja nicht mehr ,
umfassender und ausreichend detaillierter statistischer Daten über Migration Grundlagen für die Entscheidungsfindung von Politik und Verwaltung im Bereich der Migrationspolitik zu liefern. Zudem möchte er die Öffentlichkeit über die Entwicklung des Migrationsgeschehens informieren.
Wenn ich mir den Migrationsbericht 2006 daraufhin anschaue, stelle ich fest hier muss ich mich Herrn Bundesminister Schäuble oder auch meinem Vorredner anschließen , dass es einen stetigen Rückgang bei den Zuwanderungszahlen gibt.
Schauen wir uns einmal an, welche Ziele mit dem Zuwanderungsgesetz es liegt sozusagen auch der vorliegenden Drucksache zugrunde verfolgt werden:
Erstens. Eine Zuwanderung soll möglichst verhindert werden. Laut Migrationsbericht gelingt das anscheinend auch.
Zweitens. Wenn es überhaupt zur Zuwanderung kommt, dann sollten es zumindest Menschen sein, die im hiesigen Wirtschaftsprozess eine verwertbare Leistung erbringen bzw. nützlich sind.
Manchmal kann man Politik aus einem Bauchgefühl heraus gestalten, oder sie entsteht aus religiösen Sätzen oder aber aus wissenschaftlichen Erkenntnissen oder der Empirie bzw. Untersuchungen. Ich muss aber leider feststellen, dass die Politik der Bundesregierung weit von den Fakten bzw. Tatsachen entfernt ist.
Erinnern wir uns zurück und schauen wir uns einmal an, welche Einbürgerungspolitik gerade auch im Frühjahr 2006 betrieben wurde. Die Politikerinnen und Politiker überboten sich fast schon hysterisch mit ihren Vorschlägen, einbürgerungswilligen Migranten mit Wissenstests, Wertetests, Gesinnungstests, Staatsbürgerkursen oder auch Einbürgerungsgesprächen zu Leibe zu rücken, um zu überprüfen, ob sie eine rechtschaffene Gesinnung haben.
(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das waren alles Unionspolitiker!)
Oft überschritt das Niveau ihrer Argumente nicht das Niveau der Parolen, die an Stammtischen von sich gegeben wurden. Wenn man sich den Bericht der Bundesregierung anschaut, dann erkennt man, dass Sätze wie „Wir entscheiden, wer Deutscher ist“ und „Wir lassen nicht jeden hinein“ die Kanzlerin sprach von einer Staatsbürgerschaft zu Ramschpreisen oder gar im Vorbeigehen unerträglich sind und überhaupt keine materielle Basis haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Einbürgerungszahlen sinken stetig; das wissen Sie auch. Das wird auch durch diesen Bericht gezeigt. Im Jahr 2006 lagen die Einbürgerungszahlen nämlich weit unter denen des Jahres 1999. 1999, also noch vor der sogenannten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes, gab es etwa 143 000 Einbürgerungen, 2006 waren es dann 125 000. Obwohl dies mehr Einbürgerungen als im Jahr 2005 waren, wird es hier keine Trendwende geben. Das hat die Bundesregierung im letzten Jahr durch weitere Verschärfungen der Einbürgerungsvoraussetzungen bereits sichergestellt.
Es wundert auch nicht, dass die Bundesrepublik im europäischen Vergleich trotz der leicht höheren Einbürgerungszahl in 2006 schlecht abschneidet. Durch die im Oktober 2007 veröffentliche Untersuchung des British Council und der Migration Policy Group wird der Bundesrepublik für die Integrationspolitik insgesamt nur europäisches Mittelmaß bescheinigt. Denn die Einbürgerungsquote bei Migrantinnen und Migranten beträgt bei uns nur 1,7 Prozent.
Die Linke fordert radikale Erleichterungen bei der Einbürgerung, damit hier lebende Menschen nicht nur Pflichten erfüllen müssen was sie tun sondern auch ihre staatsbürgerlichen Rechte erhalten.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein entsprechender Antrag liegt bereits seit längerem vor.
Lassen Sie uns auf die Asylanerkennungspraxis eingehen. Auch sie sieht gerade auch im Hinblick darauf, dass sich in diesem Monat die faktische Abschaffung des Asylrechts zum 15. Mal jährt nicht berauschend aus. Damals gab es eine sehr schlimme Stimmung in diesem Lande. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, weil die Ereignisse in Solingen und Mölln dazu geführt haben, dass ich mich politisch in der antifaschistischen Arbeit engagiert habe.
Die Zahl der Asylanträge hat einen historischen Tiefstand erreicht. Das ist kein Wunder. Deutschland wird schließlich nicht nur am Hindukusch verteidigt. Deutsche Interessen gibt es mittlerweile auch auf Lampedusa und Lanzarote. Wie Herr Schäuble bereits deutlich gemacht hat, ist eine gemeinsame europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik notwendig.
Aber statt die Ursachen für die Flucht von Menschen zu bekämpfen oder nach humanitären Lösungen zu suchen, wird die EU-Grenze immer weiter militarisiert. Hunderte von Toten werden an den Außengrenzen Europas billigend in Kauf genommen ebenso wie das zeigen die Statistiken die über 7 000 Toten im Mittelmeer.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist wirklich abwegig!)
Das ist die Folge der repressiven Flüchtlingspolitik, die in Deutschland und auch in Europa betrieben wird, zum großen Teil forciert durch die deutsche Bundesregierung.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist die Folge von Schleusern und Schleppern, die unverantwortlich handeln!)
Nur noch wenige Flüchtlinge erreichen die Bundesrepublik, um überhaupt einen Asylantrag stellen zu können. Trotzdem ist die Anerkennungspraxis restriktiver denn je. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hebt sogar die Anerkennungen nach Art. 16 a des Grundgesetzes auf. Insofern fordert die Linke eine humanitäre Flüchtlingspolitik und die Beendigung dieser skandalösen Praxis.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben festgestellt, dass die Sprache ein wesentliches Mittel für die Integration ist. Deshalb haben Sie die Regelungen zum Ehegattennachzug geändert. Schon dem Migrationsbericht 2006 ist ein deutlicher Rückgang zu entnehmen, und zwar von einst rund 64 000 im Jahr 2002 auf nicht einmal mehr 40 000 im Jahr 2006. Die Kinder sind hier nicht eingerechnet.
Der Rückgang in diesem Zeitraum hatte sicherlich auch mit dem EU-Beitritt vieler Staaten zu tun. Das sieht im letzten Jahr anders aus. Das hat mein Kollege Veit bereits deutlich gemacht. Vom dritten auf das vierte Quartal 2007 betrug der Rückgang laut einer Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion allgemein 40 Prozent und beim Ehegattennachzug aus der Türkei sogar fast 68 Prozent. Das liegt an den von der Bundesregierung neu eingeführten Nachzugsbarrieren wie den Sprachanforderungen. Diese müssen nun bereits im Herkunftsland erworben werden. Unter welchen Umständen dies geschieht, ist der Bundesregierung völlig egal.
Die Linke hat das bereits bei der Novellierung angemahnt. Selbst die Ausländerbeauftragten der Bundesländer haben uns auf ihrer Tagung Ende April in Mainz unterstützt und gerade beim Ehegattennachzug Verbesserungen gefordert. Diese Regelung gehört abgeschafft, und zwar sofort.
(Beifall bei der LINKEN)
Leider kann ich aber der Bundesregierung nicht einmal in der Integrationspolitik das Motto „Einwanderung nein Integration ja“ unterstellen. Das wird auch im Migrationsbericht deutlich. Denn ihre Politik ist von national-kulturellen Hegemonisierungs- und Homogenisierungsversuchen geprägt. Verbesserungen im Hinblick auf eine strukturell soziale Gleichstellung sind bei der Bundesregierung jedenfalls nicht erkennbar.
Der zentrale Glaubenssatz der deutschen Integrationspolitik den leider auch die FDP als Oppositionspartei übernommen hat lautet: Das Erlernen der deutschen Sprache ist der Schlüssel zur Integration. So wird Integration im Wesentlichen auf das Beherrschen der deutschen Sprache reduziert. Doch wie Wilhelm Heitmeyer in der FAZ vom 3. April 2006 festgestellt hat:
Wenn Sprache so betont wird wie derzeit, kann sie auch zu einem neuen Ausgrenzungskriterium werden, statt, wie plötzlich behauptet wird, ein Integrationsinstrument.
(Dr. Michael Bürsch (SPD): Was ist das denn für ein Quatsch?)
Ich kann nur empfehlen, diesen Artikel zu lesen.
Die kritische Auseinandersetzung mit den seit Januar 2005 angebotenen Integrationskursen mündete in dem Erlass einer neuen Integrationskursverordnung. Wir begrüßen zwar die Erhöhung des Stundensatzes, können aber leider nicht dahinter stehen, weil es einer Erhöhung des Stundensatzes um 3 Euro und einer Senkung der Teilnehmerzahl auf maximal fünfzehn bedarf. Nicht ohne Ironie ist, dass nun die Zulassung von Kursträgern mit Auflagen erteilt werden kann. Das betrifft insbesondere die Regelungen zur Vergütung der Lehrkräfte. Dahinter verbirgt sich nichts anderes, als dass das BAMF den Trägern einen Mindestlohn verordnen kann. Die Bundestagsfraktion Die Linke begrüßt natürlich einen gesetzlichen Mindestlohn. Wir fordern ihn seit eh und je. Angesichts der unzureichenden Finanzierung der Träger ist dies allerdings nicht realistisch.
Ich komme zum Schluss. Integration ist weitaus mehr als nur Sprache. Integration ist eine soziale Frage. Schauen Sie sich die Statistiken und die Zahlen an! Exzellente Bildungsabschlüsse von Migrantinnen und Migranten führen nicht automatisch dazu, dass sie einen Ausbildungsplatz oder einen Arbeitsplatz bekommen. Das heißt, es hängt nicht von der Sprache, sondern von den strukturellen Rahmenbedingungen ab. Schaffen Sie entsprechende Rahmenbedingungen! Sorgen Sie für gleiche Teilhabe sowohl in der Bildung als auch in der Arbeitswelt, im Gesundheitsbereich und in der Politik! Schaffen Sie endlich eine gleichberechtigte politische Mitbestimmung, zum Beispiel ein kommunales Wahlrecht für Nicht EU Bürger, damit die unerträgliche Ungleichbehandlung von EU Bürgern und Nicht EU Bürgern aufgehoben wird!
(Beifall bei der LINKEN)