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Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratunga) des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchesb) der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft– zu dem Antrag der Abgeordneten ­Amira Mohamed Ali, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:Transparenz über Lebensmittelkontrollen herstellen(Zusatztagesordnungspunkt 11 a und b)

Rede von Amira Mohamed Ali,

Wir diskutieren heute erneut über den Vorschlag der Bundesregierung, § 40 Absatz 1a LFGB so zu ändern, dass die Meldung in behördlichen Informationsportalen über Verstöße von Unternehmen gegen die Lebensmittel- oder Futtermittelsicherheit, die nicht gesundheitsgefährdend sind, nach sechs Monaten gelöscht wird.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Einführung einer Frist gefordert, allerdings offengelassen, wie lang sie ist. Das Bundesverfassungsgericht hat auch entschieden, dass der Informationsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher schwerer wiegt als die durch die Berufsfreiheit geschützten Rechte der Unternehmen auf Geheimhaltung von Informationen über Gesetzesverstöße. Das Bundesverfassungsgericht stärkt damit Verbraucherrechte enorm.

Die von der Regierung vorgeschlagene Frist von sechs Monaten ist aber deutlich kürzer als die in der aktuellen Löschungspraxis in den meisten Bundesländern. In der Praxis liegt sie bei zwölf Monaten. Die Bundesregierung schwächt mit diesem Vorschlag also die Verbraucherrechte im Vergleich zur heutigen Lage. Sie kehren das Urteil des Verfassungsgerichts, das Verbraucherrechte stärken will, in sein Gegenteil um. Das ist inakzeptabel.

Wir haben das Thema in dieser Sitzungswoche im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft besprochen. Ich habe die Bundesregierung gefragt, wie sie diese Umkehr des eigentlichen Tenors des Bundesverfassungsgerichtsurteils begründet. Die Antwort: Wir haben die Interessen eben abgewogen. – Das zeigt: Für die Bundesregierung gehen die Interessen der Unternehmen vor die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Warum sind sechs Monate zu kurz? Ich stelle einmal den Vergleich zu den Punkten in Flensburg für die Autofahrer an: Rechtsverstöße von Autofahrern werden frühestens nach zweieinhalb Jahren gelöscht. Aus gutem Grund! Es braucht einer vernünftigen Wohlverhaltens­phase, bis Vertrauen wiederhergestellt ist. Unternehmen nach nur sechs Monaten wieder reinzuwaschen, ist Verbrauchertäuschung. Die Linke lehnt diesen Vorschlag daher ab.

Wir haben einen eigenen Antrag zum Thema eingebracht, der Verbraucherrechte wirklich stärkt. Wir fordern eine Löschfrist von 24 Monaten. Außerdem fordern wir insgesamt eine deutliche Verbesserung des Verbraucherinformationsrechts, und wir machen dazu in unserem Antrag auch konkrete Vorschläge.

Es muss für alle leicht sein, an relevante Informationen über Unternehmen zu kommen. Die heutigen Informationsdienste sind teilweise gebührenpflichtig. Wesentliche Informationen sind gar nicht enthalten.

In unserem Antrag fordern wir daher ein umfassendes, kostenloses Informationsportal über unlautere Geschäftspraktiken – nicht nur in Bezug auf Lebensmittel, sondern auch für Finanz- und Gesundheitsdienstleistungen. So ein Portal warnt nämlich nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, es verbessert auch die Rechtstreue der Unternehmen. Wir wollen, dass es Wettbewerb nicht immer nur um den Profit gibt, sondern endlich auch um die saubersten Geschäftsmethoden, und dafür braucht man Transparenz.

Wir fordern in unserem Antrag außerdem auch die Einführung des sogenannten Hygiene-Smileys. Dies bedeutet, dass die Behörden alle Betriebe, die Lebensmittel verarbeiten oder verkaufen, mit einem Aufkleber versehen, der farblich – für alle leicht erkennbar – anzeigt, wie hygienisch der Betrieb ist, wie es das zum Beispiel bereits in Dänemark gibt. Seit dessen Einführung hat sich dort die Zahl der Hygieneverstöße halbiert.

Insgesamt brauchen wir ein Hinweissystem, das nicht nur Verstöße aufdeckt, sondern auch erfasst, welche Betriebe sich an alle Vorschriften halten.

In der Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung haben die Lobbyvertreter der Gaststättenbranche mehrfach gesagt, dass das Internet nicht vergesse und man daher die Verstöße der Unternehmen möglichst schnell wieder löschen müsse. Dem Umstand, dass das Internet tatsächlich nicht vergisst, kann man damit aber nicht begegnen, wohl aber, indem sowohl die Verstöße als auch die Einhaltung der Regeln veröffentlicht werden. Dies wäre der richtige Weg, und nur dies schafft volle Transparenz.

Bei unserer Anhörung haben mehrere Experten auch darauf hingewiesen, dass die allermeisten Verstöße gegen das LFGB gar nicht zur Veröffentlichung kommen, weil sie unterhalb der dort festgelegten Bagatellschwelle liegen. Alle Verstöße, die nicht mit einem Bußgeld von mindestens 300 Euro geahndet werden, werden nämlich nach aktueller Gesetzeslage nicht veröffentlicht. Auch diesen Missstand korrigiert unser Antrag.

Wir bitten daher um Annahme unseres Antrags, damit die Verbraucherrechte wirklich gestärkt werden und endlich echte Transparenz entsteht.

Den Gesetzentwurf der Bundesregierung lehnen wir aus den genannten Gründen ab.