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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Clara Bünger,

Wir beraten hier über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem ergänzende nationale Regeln zu einer Verordnung der EU zur Bekämpfung von sogenannten terroristischen Onlineinhalten geschaffen werden sollen. Wenn Nutzer und Nutzerinnen auf einer Onlineplattform oder in sozialen Netzwerken zu terroristischen Straftaten aufrufen, Anleitungen zum Bombenbau veröffentlichen oder mittels Bekennervideos terroristische Gewalt verherrlichen, sollen solche Inhalte gemäß der Verordnung möglichst schnell gelöscht werden. Konkret sieht diese vor, dass zukünftig ein entsprechendes Youtube-Video innerhalb einer Stunde gelöscht werden muss, wenn das Bundeskriminalamt dies anordnet.

Die Verordnung war in der Europäischen Union hoch umstritten, vor allem im Europäischen Parlament. Wir haben es den Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion im EP, aber auch anderer Fraktionen zu verdanken, dass es nicht so schlimm gekommen ist, wie ursprünglich von der EU-Kommission geplant. Diese wollte eigentlich erreichen, dass Diensteanbieter einen sogenannten Upload-Filter einbauen, also im Netz zukünftig alles, was ihre Nutzerinnen und Nutzer hochladen, nach terroristischen Inhalten durchscannen. Das konnte abgewendet werden, aber eine Achillesferse ist geblieben: eine vollkommen ungenügende justizielle Kontrolle dessen, was Polizei und Diensteanbieter da zukünftig treiben. Darauf hat ein großer Zusammenschluss von Bürgerrechtsgruppen, Journalisten und Journalistinnen sowie Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen um die europäische NGO European Digital Rights hingewiesen. Es fehlt an ausreichendem Rechtsschutz, bevor Löschanordnungen im Netz erlassen werden.

Die Koalition hätte die Möglichkeit gehabt, diesen rechtsstaatlichen Mangel der Verordnung zu beheben. Diese regelt zwar detailliert das Verfahren nach der Löschanordnung und vergibt die Befugnis dazu allein an eine zuständige nationale Behörde – in Deutschland an das Bundeskriminalamt. Sie verbietet den Mitgliedstaaten aber aus unserer Sicht keineswegs, vor die Löschanordnung eine richterliche Prüfung zu setzen. Diese Chance hat die selbsternannte Fortschritts- und Freiheitskoalition nun vertan. Da hätten wir mehr erwartet.

Darüber hinaus bleibt das Problem, dass andere Mitgliedstaaten auch die Löschung von Onlineinhalten anordnen können, die unter deutscher Jurisdiktion veröffentlicht wurden. Wir wissen alle, dass es letztlich eine politische Entscheidung ist, was als terroristisch gilt und was nicht. Gerade von Staaten der EU, bei denen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit bestehen, gehen damit Gefahren für die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz aus, wenn sie in die Jurisdiktion anderer EU-Mitglieder hineinregieren können. Eigentlich wäre das ein guter Grund gewesen, dieser Verordnung schon im EU-Gesetzgebungsverfahren nicht zuzustimmen. Es ist aber erst recht ein Grund für uns, diesem Gesetz, so wie es derzeit ausgestaltet ist, nicht zuzustimmen.