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Zu Entwürfen zur Änderung des VW-Gesetzes

Rede von Dorothée Menzner,

EU-Skandalurteil machte Neufassung des VW-Gesetzes notwendig

Sehr geehrte Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Der Novellierungsvorschlag der Bundesregierung zur Anpassung des VW-Gesetzes erscheint uns etwas halbherzig. Er nimmt Änderungen auch in den Bereichen vor, in denen sie nach unserer Auffassung durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht geboten sind. Das Entgegenkommen nützt aber nichts.

Die EU-Kommission in ihrer neoliberalen Verblendung wird das nicht überzeugen. Kommissar McCreevy hat schon jetzt angekündigt, noch vor Weihnachten wieder gegen das Gesetz vorzugehen. Auch das nach den Vorschlägen der Bundesregierung geänderte VW-Gesetz entspreche den EU-Verträgen nicht, meint er. Nach seiner Auffassung würde auch unsere neue Fassung des Gesetzes gegen die Kapitalverkehrs-freiheit verstoßen. Worum geht es wirklich?
Die Presseagentur Reuters schrieb gestern: Der größte VW-Eigner Porsche dagegen will das Gesetz ab-geschafft sehen. Nur wenn die Sperrminorität auf 25 Prozent angehoben würde, hätte der Sportwagen-bauer die Chance, einen Beherrschungsvertrag durchzusetzen. Weiter heißt es: Der volle Durchgriff des Porsche-Managements auf VW wäre dann gesichert. In diesem Sinne wurden wir Abgeordneten von Wendelin Wiedeking angeschrieben.
Der „volle Durchgriff“ bedeutet, dass der gesamte VW-Konzern dem Interesse der Eigentümer von Por-sche untergeordnet würde. Interessen der VW-Belegschaft, des Bundes oder des Landes Niedersachsen würden nicht mehr zählen.

Dabei geht es nicht nur abstrakt um Beherrschung, sondern es geht auch und vor allem um eine vertrag-lich auferlegte Gewinnabführung an das beherrschende Unternehmen. Es geht um die Umwandlung von VW-Gewinnen in Profite der Porsche-Eigner. Mit der Ermöglichung eines Beherrschungs- und Gewinnab-führungsvertrages würde VW seine eigenständige Bedeutung verlieren. Die langfristige Zukunft dieses für die gesamte Volkswirtschaft bedeutenden Unternehmens würde den kurzfristigen Gewinninteressen einiger Kapitaleigner untergeordnet. Spekulative Interessen würden dem Gemeinwohlinteresse und den Inte-ressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgehen.
Die Interessen der Eigentümer von Porsche an der Freiheit ihres Kapitals gelten Kommissar McCreevy mehr; sie gelten ihm als Kapitalverkehrsfreiheit, als eine der Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes. All das können wir und kann die Bundesregierung so nicht hinnehmen. Wir brauchen eine eindeutige Klarstellung im EU-Vertragsrecht, im Primärrecht. Dazu haben wir Vorschläge gemacht, die ich aus Zeitgrün-den hier nicht genau ausführen kann.
Das Ratifizierungsverfahren zum Vertrag von Lissabon muss ausgesetzt werden. Es muss eine soziale Fortschrittsklausel in das Primärrecht aufgenommen werden. In diesem Sinne stellen wir fest, dass der Vorschlag der Bundesregierung auch unter den Bedingungen des EuGH-Urteils nicht optimal ist. Unser Vorschlag, den wir vorgelegt haben, wäre besser. Dennoch werden wir dem Vorschlag der Bundesregie-rung zustimmen, weil er immer noch besser ist, als wenn nichts passieren würde.

Mit der Novellierung des VW-Gesetzes aber sind die Probleme keineswegs bewältigt. Wir brauchen Regelungen für die Wirtschaft insgesamt, nicht nur für ein Großunternehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen das Europarecht so verändern, dass es nicht weiter als Brechstange gegen den Sozialstaat gesetzt werden kann. Meiner Ansicht nach sollte sich niemand folgender Einsicht - damit möchte ich mei-ne Rede beenden - verschließen: Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)