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Winterreifen - Güte genau definieren!

Rede von Dorothée Menzner,

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, grundsätzlich ist Ihr Antrag zu begrüßen. Leider ist er aber nicht konsequent genug formuliert. Sie mahnen schon in der ersten Zeile an, dass die Definition der M+S-Reifen unkonkret ist. Was aber fehlt, sind die technischen Anforderungen, die die De-finition untersetzen sollen.
Was mich an dem Antrag stört, ist Folgendes. Da zitieren Sie in Ihrem Antrag die UN-Wirtschaftskommission dahingehend, dass M+S-Reifen im Winter bessere Fahr-eigenschaften haben als normale Reifen, schieben dann aber im vierten Absatz hinterher, dass für einen Winterreifen neben der Oberflächenbeschaffenheit auch die Zusammensetzung des Materials, wie etwa des Reifengummis, wichtig ist. Also was denn nun?
Wollen Sie den Winterreifen damit definieren, dass er größere Zwischenräume und Rillen im Profil sowie eine stärkere Anfangsprofilstärke aufweist, oder damit, dass er eine bestimmte Materialzusammensetzung besitzt, oder dadurch, dass er im Winter bessere Fahreigenschaften bietet?
Dass ausgerechnet die FDP den Herstellern die Beschaffenheit der Reifen vorschreiben will, ist ein schönes Beispiel dafür, dass man wirklich nicht alles den Regeln des freien Marktes überlassen kann. Wo es um Verkehrssicherheit geht, sind Regeln und Kontrolle des Staates nötig und angebracht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, in der Begründung Ihres Antrags führen Sie aus, dass sich die Gefahr für die Fahrerinnen und Fahrer erhöht, wenn diese in der Annahme, mit Winterreifen zu fahren, nicht mit einer schlechteren Bodenhaftung rechnen. Mit Verlaub: Das halte ich für Blödsinn! Ich jedenfalls kenne keinen Fahrer, der sich, nachdem er auf Winterreifen umgeschraubt hat, sagt, mit den anderen Reifen konnte ich mit fünf Sachen mehr um die Kurve fahren, oder: Letzten Winter bin ich hier mit 80 Sachen lang und dieses Jahr hab ich mich mit den anderen Reifen gedreht. Was ich damit sagen will: Jeder weiß, dass sich Straßenverhältnisse von Meter zu Meter und von Stunde zu Stunde ändern. Ein Vergleich - außer unter Testverhältnissen wie bei denen der Hersteller - ist gar nicht möglich. Auch Winterreifen setzen die Gesetze der Physik nicht außer Kraft.
Daher lautet die Forderung der Linken: Der Gesetzgeber sollte M+S-Reifen konkret definieren, aber nicht durch Aussehen oder Profil, also wie viele Noppen oder wie breit die Rillen sind, wie viele Längs- und Querrillen ein solcher Reifen zu haben hat oder welche Gummimischung, sondern durch seine spezifischen Fahreigenschaften und Wettereignung: Erstens durch einen gegebenen Bremsweg sowohl auf trockener als auch nasser und schneebedeckter Straße, zweitens durch seine Rolleigenschaften, drittens durch die Laufzeit und viertens durch die Alterungsbeständigkeit.
Wir wollen ja nicht die Wege für Innovationen versperren. Und ich denke, wenn wie im Falle Schaeffler/Continental mehrere Milliarden Steuergelder als Kompensation für Manager-Fehlleistungen und Marktgier fließen, dann könnte ein Teil dieses Geldes durchaus in die Erforschung wintersicherer Reifen gesteckt werden. Dann hätten mehr Menschen etwas von den Milliardensubventionen.
Wir Linken plädieren außerdem dafür, die Bezeichnung M+S beizubehalten, weil jeder etwas damit anfangen kann. Zeichen wie eine Schneeflocke irritieren nur zusätzlich. Viele kaufen ihre Reifen im Super- oder Baumarkt, sehen die Schneeflocke und meinen, sie hätten Winterreifen erworben. Es muss also genau festgelegt werden, was welche Symbole bedeuten, und es sollten deutliche Zertifizierungskriterien gelten. Die Bezeichnung M+S sollte dabei ausschließlich für Winterreifen gelten. Hier muss der Gesetzgeber Farbe bekennen, sonst tappen viele Verbraucher in die Falle, kaufen guten Glaubens die falschen Reifen und unterliegen später dem Bußgeldbe-scheid, oder im Schadensfalle einem Versicherungsnachteil.
Bei dieser Gelegenheit: Der Allwetterreifen hat im Winter bessere Fahreigenschaften als der Sommerreifen. Wir sollten auch bedenken, dass viele Autofahrer nicht regelmäßig, im Winter überhaupt nicht und schon gar nicht ins Gebirge fahren. Damit ist nur die Fahrt zum Einkaufen oder zum Arzt das Maß der Dinge. Aus diesen Überlegungen heraus greifen viele zu Allwetterreifen. Es ist inkonsequent, in der Straßen-verkehrs-Zulassungs-Ordnung Winterräder mit M+S zu definieren, aber in der Straßenverkehrs-Ordnung nur von geeigneten Reifen zu sprechen.
Entgegen dem Antrag der FDP meine ich nicht, dass geeignete Bereifung immer auch Winterreifen meint. In der Straßenverkehrs-Ordnung sollten wir auch den Begriff Wetterverhältnisse genauer fassen: Das genaue Anwenden der Wörter Schneeglätte oder Glatteis würde viel juristischen Streit ersparen und den Verbraucher vor falschen Reifenkäufen schützen.