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Wider die Militarisierung der deutschen Außenpolitik!

Rede von Jan van Aken,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!


Ich bin gelernter Naturwissenschaftler. Da hat man ein gewisses Faible für Zahlen. Als ich mir jetzt, Herr Westerwelle und Frau Merkel, Ihren Koalitionsvertrag angeschaut habe, sprang mich ein Ereignis sofort förmlich an. Das Mantra Ihrer Außenpolitik sind ja die deutschen Interessen bzw., wie wir heute Morgen von der Kanzlerin gehört haben, der Zugriff auf die weltweit vorhandenen Rohstoffe. Jetzt kommt es: Wenn es um die Durchsetzung dieser Interessen geht, erwähnen Sie elfmal die Bundeswehr und die deutschen Soldaten, aber das Völkerrecht kommt ganze zweimal in diesem Koalitionsvertrag vor. Ich sage Ihnen: Das ist kein statistischer Ausreißer mehr. Das ist Programm.

Herr Westerwelle, wenn Sie sich hier heute hinstellen und sagen, die deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik, dann kann ich dazu nur sagen: Das ist schlichtweg falsch. Die Militarisierung Ihrer Außenpolitik zieht sich wie ein roter Faden durch die 132 Seiten Ihres Koalitionsvertrages.


Ich nenne vier Beispiele. Sie kündigen darin heute tatsächlich schon noch mehr Auslandseinsätze an.
Sie wollen den Aufbau einer europäischen Armee. Sie wollen noch mehr Geld für die europäische Sicherheitspolitik, und Sie setzen auf noch mehr Rüstungsexporte.

Jetzt könnte man es fast schon erfrischend nennen, dass Sie das überhaupt nicht mehr humanitär verbrämen oder irgendwie propagandistisch übertünchen, sondern schlicht und einfach klarstellen: Es geht um die Durchsetzung deutscher Interessen, zur Not mit der Waffe in der Hand; Punkt.
Ich finde das aber überhaupt nicht erfrischend. Ich finde das sehr beunruhigend.


Vor allem beunruhigt mich aber, dass sich hier überhaupt kein Protest regt. Ich stelle mir einmal vor, dass die schwarz-gelbe Koalition 1994 ein solches nacktes und blankes Bekenntnis zur Normalität des Krieges vorgelegt hätte. Was glauben Sie denn, wäre dann hier in Deutschland los gewesen? Da hätten doch Hunderttausende in Bonn demonstriert. Ich sage Ihnen, Herr Trittin: Wir hätten uns zusammen vor dem Konrad-Adenauer-Haus angekettet.

Ich sage es jetzt ganz direkt an die Adresse der SPD und der Grünen: Ich finde, Sie machen einen Riesenfehler, wenn Sie hier und heute die Militarisierung der deutschen Außenpolitik einfach so durchwinken. Ich finde, es wird Zeit eigentlich ist heute genau der richtige Zeitpunkt dafür , dass Sie sich endlich einmal aus dieser Schröder-Fischer-Falle befreien.


Ich kann ja verstehen ich kann es wirklich verstehen, auch wenn ich es grundfalsch finde , dass Sie immer noch diesen Reflex haben, bei Auslandseinsätzen erst einmal zuzustimmen. Aber irgendwann muss doch damit einmal Schluss sein.


Herr Westerwelle, es gibt eine Sache, die uns beide vereint: Wir sind beide Jahrgang 1961. Ich finde eigentlich, das ist ein guter Jahrgang. Ich erwähne das aber vor allen Dingen deshalb, weil es bedeutet, dass wir beide in einem Deutschland aufgewachsen sind, in dem Frieden noch etwas galt.


Als wir beide zehn Jahre alt waren da kannten wir uns noch nicht , da hat ein deutscher Bundeskanzler namens Willy Brandt gesagt, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf.


Zu unserem 20. Geburtstag haben in Bonn damals Millionen von Menschen gegen die atomare Aufrüstung demonstriert. Ich weiß nicht, ob wir uns damals gesehen haben; ich war jedenfalls dabei.


Auch zu unserem 30. Geburtstag hat sich ein CDU-Kanzler noch geweigert, deutsche Soldaten in einen Irakkrieg zu schicken, obwohl es damals ein UN-Mandat gab; es gab die UN-Sicherheitsresolution 687. Trotzdem war es 50 Jahre lang in Deutschland undenkbar, dass wir die Bundeswehr in einen Krieg im Ausland schicken. Ich glaube, einer der wichtigsten Gründe dafür war, dass die Generation unserer Eltern selber noch Krieg erlebt hat. Sie hat das Leid und das Elend des Krieges am eigenen Leibe erfahren.
Wenn in diesen Tagen wieder über die Tanklaster in Afghanistan debattiert wird, dann dürfen wir doch eines nie vergessen: Diese Tanklaster sind nur die Spitze des Eisberges. Der Krieg in Afghanistan bedeutet wie jeder Krieg tagtägliches Sterben, tagtägliche Zerstörung und tagtägliches Hungern.


Davon höre ich hier im Bundestag kein einziges Wort. Hier gibt es „Krieg” oder „Einsatz”, der immer irgendwie unausweichlich scheint, immer nur als abstrakten Begriff. Aber eines dürfen wir doch nie vergessen: Krieg ist nie unausweichlich. Es gibt immer eine Alternative. Es braucht nur den politischen Willen dazu. Ich selber habe bei den Biowaffeninspektoren der Vereinten Nationen gearbeitet, weil diese eine Alternative zum Irakkrieg gewesen sind. Genauso gibt es heute eine Alternative zum Krieg in Afghanistan.


Noch ein Wort zu Europa. Der Lissabon-Vertrag wird bald in Kraft treten. Das ist keine gute Nachricht für Menschen, die Europa lieben. Wir haben in den letzten Jahren immer für ein besseres, sozialeres und friedlicheres Europa gekämpft. Aber mit unserer Klage vor dem Verfassungsgericht haben wir wenigstens durchgesetzt, dass dieses Europa ein wenig demokratischer geworden ist.
Der Bundestag hat mehr Rechte bekommen, und Sie können sich schon heute darauf einstellen, dass wir diese Rechte auch nutzen werden.


Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland gar keine Waffen mehr exportieren sollte.
Dazu muss ich eines sagen: Der Koalitionsvertrag ist 132 Seiten lang. Ein einziges Mal werden in ihm die hochwertigen Arbeitsplätze erwähnt. Raten Sie einmal, was für diese Koalition hochwertige Arbeitsplätze sind! Da würden mir Solarfabriken, Schulen, Krankenhäuser oder Opel einfallen. Warum nicht Opel? Aber für Frau Merkel und Herrn Westerwelle sind hochwertige Arbeitsplätze nach diesem Koalitionsvertrag ausschließlich in der Rüstungsindustrie zu finden.
Ich finde das eklig.


Jedes Mal, wenn heute irgendwo auf der Welt in Myanmar, in Kolumbien oder im Sudan Menschen aufeinander schießen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass eine deutsche Firma daran mitverdient. Ich finde das eine Schande. Ich verspreche Ihnen hier und heute, dass die Linke keine Ruhe geben wird, bis Deutschland endlich aufhört, Waffen in alle Welt zu exportieren.


Ich danke Ihnen.