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Weichenstellungen der Ratspräsidentschaft müssen korriegiert werden

Rede von Diether Dehm,

Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):

Herr Präsident!

Meine sehr verehrten Damen und
Herren!

Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages
bei den Volksentscheiden in Frankreich und den Niederlanden
scheiterte auch der Versuch, sich im Europäischen
Rat am 16./17. Mai vergangenen Jahres auf eine
Finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 zu
einigen. Allgemein war die Rede von der Krise der
Europäischen Union; nur am Bewusstsein bezüglich
des Charakters und der Tiefe der Krise fehlte es bei Ihnen,
den Regierenden, und es gab keinen Gedanken daran,
dass der Verfassungsvertrag seines Inhalts wegen
abgelehnt worden war,

(Beifall bei der LINKEN)

und vor der finanziellen Weichenstellung keinen Versuch,
den Weg der Union seit Maastricht kritisch zu hinterfragen.
Dabei weiß doch offenbar niemand so recht Antworten
auf vier zentrale Fragen:

Auf welcher Grundlage sind eine nachholende Entwicklung
der beigetretenen Länder und ein umfassender
sozialer Zusammenhalt in der Union möglich?
Kann die Europäische Union den gewachsenen Aufgaben
mit derselben Finanzausstattung gerecht werden
oder gar mit einer geringeren?
Können in Phasen konjunktureller Stagnation zusätzliche
finanzielle Leistungen von den Mitgliedstaaten erwartet
und zugleich die Einhaltung der Maastricht-Kriterien
verlangt werden?
Ist es den Ländern, die an sich finanziell leistungsfähiger
sind als andere, überhaupt möglich, zusätzliche
Beiträge an die Europäische Union aufzubringen, wenn
nicht zugleich Steuerdumping europaweit unterbunden
wird?

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Fragen, meine Damen und Herren, wurden
nicht einmal gestellt. Stattdessen wurde ein weiteres Mal
nach dem ebenso beliebten wie irrealen Motto „Mehr

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages
bei den Volksentscheiden in Frankreich und den Niederlanden
scheiterte auch der Versuch, sich im Europäischen
Rat am 16./17. Mai vergangenen Jahres auf eine
Finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 zu
einigen. Allgemein war die Rede von der Krise der
Europäischen Union; nur am Bewusstsein bezüglich
des Charakters und der Tiefe der Krise fehlte es bei Ihnen,
den Regierenden, und es gab keinen Gedanken daran,
dass der Verfassungsvertrag seines Inhalts wegen
abgelehnt worden war,

(Beifall bei der LINKEN)

und vor der finanziellen Weichenstellung keinen Versuch,
den Weg der Union seit Maastricht kritisch zu hinterfragen.
Dabei weiß doch offenbar niemand so recht Antworten
auf vier zentrale Fragen:
Auf welcher Grundlage sind eine nachholende Entwicklung
der beigetretenen Länder und ein umfassender
sozialer Zusammenhalt in der Union möglich?
Kann die Europäische Union den gewachsenen Aufgaben
mit derselben Finanzausstattung gerecht werden
oder gar mit einer geringeren?
Können in Phasen konjunktureller Stagnation zusätzliche
finanzielle Leistungen von den Mitgliedstaaten erwartet
und zugleich die Einhaltung der Maastricht-Kriterien
verlangt werden?
Ist es den Ländern, die an sich finanziell leistungsfähiger
sind als andere, überhaupt möglich, zusätzliche
Beiträge an die Europäische Union aufzubringen, wenn
nicht zugleich Steuerdumping europaweit unterbunden
wird?

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Fragen, meine Damen und Herren, wurden
nicht einmal gestellt. Stattdessen wurde ein weiteres Mal
nach dem ebenso beliebten wie irrealen Motto „Mehr

Die Kanzlerin zitierte verfälschend. „Lassen Sie uns
mehr Freiheit wagen!“. Das war nicht Willy Brandt, das
war Strauß mit seinem „Freiheit statt Sozialismus!“. Das
ist die Freiheit des Herrn Bolkestein;

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Guido Westerwelle
[FDP]: Nichts gegen Frits!)

das ist die globale Freiheit der Großbanken von demokratischen
Grundregeln. Das ist der Freiheitsbegriff des
Urvaters der Neoliberalen, von Hayek, der es in seinen
„Grundsätzen einer liberalen Gesellschaft“ so formulierte:
Politische Freiheit im Sinne von Demokratie, „innere“
Freiheit, Freiheit im Sinne des Fehlens von
Hindernissen für die Verwirklichung unserer Wünsche
oder gar „Freiheit von“ Furcht und Mangel haben
wenig mit individueller Freiheit zu tun und stehen
im Konflikt mit ihr.
Dieser neoliberale Freiheitsbegriff steht im Gegensatz
zu unserem Grundgesetz. Deswegen wurde die EU-Verfassung
abgelehnt. Deswegen werden wir Anfang des
nächsten Jahres gegen Bolkestein in Straßburg demonstrieren.
Deswegen bleiben wir Linken da schon lieber
beim Original, bei Willy Brandt: Wir wollen mehr Demokratie
wagen!

(Beifall bei der LINKEN)