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Unsere Solidarität gehört der ukrainischen Bevölkerung

Rede von Gregor Gysi,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Konstantin Kuhle [FDP]: Wo ist Diether Dehm?)

Über ein Jahr müssen wir nun den völkerrechtswidrigen Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine miterleben. Bei dem völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Serbien und bei der völkerrechtswidrigen Lostrennung des Kosovo habe ich in Gesprächen mit damaligen Regierungsmitgliedern gewarnt, dass dies Schule machen könne,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Genau!)

was leider eingetreten ist. Ich weiß, dass vor diesem Krieg vom Westen vieles falsch gemacht wurde und die Ukraine Minsk II verletzte. Das Donbass-Gebiet wurde nicht autonom innerhalb der Ukraine. Außerdem war das damalige Verbot der russischen Sprache ebenso falsch. All dies rechtfertigt aber niemals einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erleben Kriegsverbrechen, insbesondere von russischer Seite: Folter, Tötung von Zivilisten, Vergewaltigungen. Es muss ein völkerrechtlicher Weg gefunden werden, Schuldige bei allen Kriegen zur Verantwortung zu ziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Solidarität gehört der ukrainischen Bevölkerung.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Unterschied zu anderen hier war ich nicht zu einer Stippvisite in der Ukraine, sondern zusammen mit Professor Trabert dort mehrere Tage.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Oh!)

Wir haben medizinische Geräte und Spenden übergeben. Der Bürgermeister eines Vorortes von Kiew will die Zerstörungen beseitigen und bat um einen kleinen Bus, einen Traktor und eine Betonmischmaschine. Meine entsprechende Bitte an den Bundeswirtschaftsminister Habeck wurde abgelehnt.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Pfui!)

Geld für Panzer ja, für eine Betonmischmaschine nein. Mithilfe des sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Kretschmer ist es gelungen, mit einer Städtepartnerschaft die Bitten zu erfüllen. Das Verhalten der Bundesregierung finde ich indiskutabel.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von der LINKEN: Pfui!)

Die Frage, wie dieser Krieg, das Grauen beendet werden kann, treibt unsere ganze Bevölkerung um. Es gibt im Kern zwei unterschiedliche Antworten. Wenn wir eine tiefe Spaltung unserer Gesellschaft verhindern wollen, sollten wir respektieren, dass die einen wie die anderen Frieden zwischen Russland und der Ukraine wollen. Die einen glauben, mittels Waffenlieferungen das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine zu stärken und einen gerechteren Frieden zu erreichen. Wir, die das anders sehen, dürfen sie nicht als Kriegstreiber oder Ähnliches sehen und beleidigen.

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] – Jamila Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt aber auch umgekehrt! – Jens Teutrine [FDP]: Nicht mal die eigene Fraktion klatscht!)

Diejenigen, die wie wir unverzüglich einen Waffenstillstand wollen, möchten das Töten, Verletzen, die Zerstörungen sofort beenden. Deshalb ist es ebenso falsch, uns als Putin-Knechte zu bezeichnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben inzwischen einen Stellungskrieg. Der BND-Präsident wies darauf hin, dass Russland noch bis zu 1 Million Soldaten rekrutieren könne. Die Ukraine hat eine solche weitgehende Möglichkeit nicht.

Jürgen Habermas erklärte, dass die NATO bisher ihr Ziel nicht definiert habe. Er schrieb weiter, dass es einen Unterschied gebe, ob ein Land siegen müsse oder ob es nicht verlieren dürfe. Interessant!

Mir wird entgegnet, dass Putin zu einem Waffenstillstand nicht bereit sei. Was halten Sie von folgender Idee? Mit Einverständnis der ukrainischen Führung könnte die NATO doch erklären, dass sie jetzt keine einzige Waffe mehr an die Ukraine lieferte, wenn die russische Führung einem Waffenstillstand zustimmte.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wie naiv sind Sie eigentlich?)

Das setzte sie beachtlich unter Druck. Das Ergebnis dann von Friedensverhandlungen muss eine auch vom Westen gesicherte Ukraine sein.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Joe Weingarten [SPD]: Gleiche Argumentation wie bei der AfD!)

Wir müssen einen Weg finden, wie wir zu Deeskalation, Abrüstung, Interessenausgleich, viel mehr Diplomatie und strikter Wahrung des Völkerrechts durch alle Seiten zurückkehren können. Die Regierung muss aufhören, wegen der Kosten im Zusammenhang mit dem Krieg und den Flüchtlingen Sozialleistungen infrage zu stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine solche Aufrechnung zum Nachteil gerade der ärmeren Teile unserer Bevölkerung ist durch nichts zu rechtfertigen. Die Inflation, die Teuerung der Lebensmittel, –

– die unerträglichen Preise für Heizung und Strom müssen wirksam bekämpft werden.

Letztlich – ich bin gleich fertig –: Es gibt auch die völkerrechtswidrigen Kriege des NATO-Mitglieds Türkei gegen Syrien und Irak,

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ja, da ist es wieder! – Zuruf von der SPD: So, jetzt stimmt das Weltbild wieder!)

speziell gegen die Kurdinnen und Kurden, die uns alle im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ unterstützt haben. Es gibt seit Jahren einen furchtbaren –

– Krieg im Jemen mit unvorstellbarem Leid. Dahinter stehen der Iran und Saudi-Arabien. Wenn wir glaubwürdig sein wollen, müssen wir diese Kriege ebenfalls scharf verurteilen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich hoffe – ich bin fertig, Frau Präsidentin –, dass unsere öffentlich-rechtlichen Medien endlich einmal Bilder von diesen Kriegen zeigen, damit sich humane, solidarische Gefühle in unserer Bevölkerung entwickeln können.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Peinliche Rede! – Dr. Joe Weingarten [SPD]: Peinlicher Auftritt!)