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Transparenz ist ein hohes Gut und Voraussetzung der Demokratie

Rede von Sevim Dagdelen,

Rede zur Zweiten und Dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Werte Kolleginnen und Kollegen!
Der Siegeszug des Internets hat den Großteil unserer Gesellschaft und mittlerweile auch das Gesellschaftsrecht erreicht.
Die allseitige Verfügbarkeit jedweder Form von Daten für jedermann durch das worldwide web legt es nahe, dieses für alle Publikationen, insbesondere für amtliche zu verwenden.
Die Möglichkeit der automatisierten Suche, Zusammenfassung und Auswertung von Daten und die Geschwindigkeit der Informationsverbreitung prädestinieren das Internet geradezu zur Herstellung von Transparenz.
Transparenz ist ein hohes Gut und Voraussetzung der Demokratie. Die Herstellung derselben im Bereich der Politik ist für uns eine wichtige Forderung und Herzensangelegenheit und auch im Bereich der Wirtschaft unterstützen wir dahingehende Bestrebungen.

Für das Gesellschaftsrecht, welches vom Grundsatz der Publizität geprägt ist, ist ein elektronisches Register mithin eine effiziente und kostengünstige Alternative zu der bisher allein betriebenen Veröffentlichung der Registerdaten mittels der Printmedien.
Die Fraktion DIE LINKE. unterstützt daher die Einführung eines elektronischen Handels-, Gesellschafts- und Unternehmensregisters.
Dem diesbezüglich vorliegenden Gesetzesentwurf vermögen wir jedoch nicht zuzustimmen.

Dafür haben wir Gründe, die ich Ihnen zur Wahrung der Transparenz politischen Handelns darlegen möchte.

In einem Bericht des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt des Europäischen Parlaments zur Errichtung elektronischer Register heißt es:

„Die Beschränkung der Mitgliedsstaaten auf eine einzige elektronische Informationsbezugsquelle und die damit zwangsläufig verbundene Abwertung und Diskriminierung anderer, traditioneller Informationsmedien ist zur Erreichung der Ziele der Kommission nicht erforderlich und demnach unverhältnismäßig. Der wesentliche Grundgedanke des Gesellschafts- und Wertpapierrechts würde gefährdet“.

Ob durch den Begriff Diskriminierung der sich abzeichnende Einnahmenverlust traditioneller Printmedien passend umschrieben ist, halte ich für fraglich, für zwingend halte ich aber von der Diskriminierung der Menschen zu sprechen, die keinen Zugang zum Internet haben. Dem möchte man entgegnen, dass es solche heute kaum noch gibt, zumal ja für ein paar Cent der Internetshop um die Ecke zu helfen vermag. Doch wie ist es mit den Alten, die die Technik nicht beherrschen, was macht derjenige der auf dem Land lebt und wie sieht es in anderen Ländern aus? Die Zahl der Nutzer des Internets steigt zwar immer weiter an, sie wird jedoch gemeinhin überschätzt und lag im letzten Jahr ausweislich diverser Studien bei unter 60% der deutschen Bevölkerung. Noch weniger Menschen besitzen einen eigenen Zugang, wohingegen immer noch 80% der Bevölkerung Zugang zu Zeitungen haben.
Die Kluft zwischen denjenigen, die in der Lage sind, ohne großen Aufwand das Internet zu nutzen und denen die das aus welchen Gründen auch immer nicht sind, wird international als „digital divide“ bezeichnet. Bill Gates hat in diesem Zusammenhang einmal prognostiziert, es werde in Zukunft zwei Klassen von Menschen geben, die mit und die ohne einen Internetzugang.
Da wir als LINKE. uns für das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft einsetzen, fordern wir die Beibehaltung der Veröffentlichung der Registerdaten in den Printmedien.
Ein Änderungsantrag der Fraktion der Grünen, nach welchem - im Gegensatz zu der vorgesehenen zweijährigen - zumindest eine fünfjährige Schonfrist für Druckerzeugnisse eingeräumt werden soll, so lange also eine Doppelveröffentlichung erfolgen muss, liegt vor. Aus den genannten Gründen und weil auch wir denken, dass die Interessen regionaler und überregionaler Zeitungen, die teilweise von besagten Veröffentlichungen leben, Berücksichtigung finden sollten, unterstützen wir diesen Änderungsantrag.
Ich verzichte jetzt darauf Ihnen die Unterschiede der jeweiligen Publizitätsstrukturen beider Medien, insbesondere des „Push und Pull“-Verfahrens und deren Auswirkungen auf die Adressaten darzulegen und komme zu einem nächsten Kritikpunkt.

Die Bundesregierung hatte im Jahr 2002 noch die Notwendigkeit betont, das allgemeine datenschutzrechtliche Problem bei der Veröffentlichung von Daten durch Behörden und Gerichte im Internet und die anschließende Weiterveröffentlichung durch Dritte zu lösen.
Geschehen ist jedoch nichts, sodass sich gerade bei dem vorliegenden Gesetzentwurf die Frage stellt, wie er sich mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen Personen versteht, deren Daten in das Register eingetragen werden.

Der unbeschränkte Zugang für jedermann entspricht der bisherigen Rechtslage, verkannt wird aber, dass sich aus der Zusammenlegung der drei Register in elektronischer Form Informations- und Verarbeitungsmöglichkeiten ergeben, die die bisherige Dimension weit überschreiten. So ermöglicht das elektronische Unternehmensregister wie auch die Abfrage der zum Handelsregister eingereichten Unterlagen die Identifizierung der hinter einem Unternehmen stehenden Menschen in bisher nicht bekanntem Maße.
In dem Register sind neben dem Namen beispielsweise auch der Wohnort und das Geburtsdatum natürlicher Personen eingetragen. Damit ist es für jeden Internetnutzer oftmals ein Leichtes, die Wohnanschrift der Person herauszufinden oder diese Daten mit weiteren über das Internet zugänglichen Angaben zu verknüpfen, ohne dass hierfür eine sachliche Rechtfertigung besteht.

Der Entwurf äußert sich zu diesen Fragen nicht, daher geht er auch nicht den datenschutzrechtlich schonenderen Weg der Ersetzung des Wohnorts durch eine Zustelladresse oder des Verzichts auf das zu Identifikationszwecken nicht notwendige Geburtsdatum.
Es wird allerdings darauf verzichtet, die Entstehung von privaten Parallelregistern durch Einrichtung eines Kopierschutzes oder durch Verabschiedung einer eindeutig entgegenstehenden Rechtslage zu verhindern.
Somit werden Löschungsfristen für persönliche Daten zur Makulatur, so werden private Datenbanken auf Basis der gezwungenermaßen an das Register erteilten Informationen, gegen die effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen ist, die Regel, so wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ohne Not geschwächt und so wird der Publizität letztlich ein Bärendienst erwiesen.

Mit gesellschaftsrechtlicher Transparenz hat dies ebenso wenig zu tun, wie das Vorgehen der Regierung bei dem letzten Punkt, den ich ansprechen möchte, mit politischer.

Unmittelbar vor Toresschluss wurde kurzerhand der Höchstbetrag des Ordnungsgeldes, welches bei Verstoß gegen bestimmte Offenlegungspflichten zu erheben ist, halbiert.
Warum, lässt sich aus der Gesetzesbegründung nicht ersehen und auf Nachfrage hieß es, Grund sei eine politische Entscheidung und Internas würden nicht verraten.
Diese diskrete Haltung mag auch bei manchen Kapitalgesellschaften hinsichtlich ihrer zu veröffentlichenden Zahlen vorherrschen. Warum auch nicht, zahlen sie doch die maximal 25.000 € Ordnungsgeld oftmals leicht aus der Portokasse.
Transparenz wird so jedenfalls nicht gefördert, weder in der Politik noch im Gesellschaftsrecht.

Danke.