Drohungen mit einem Olympiaboykott helfen den Menschen in Tibet nicht
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!Wir bedauern zutiefst die Opfer beider Seiten infolge der gewalttätigen Auseinandersetzungen in der autonomen Region Tibet. Die autoritäre, mit polizeistaatlichen Mitteln geführte Reaktion der chinesischen Regierung, deren Ursache historisch-politischer und ökonomischer Natur ist, lehnen wir klar und deutlich ab.
Moralische Empörung mag zwar den einen oder anderen in ein gutes innenpolitisches Licht stellen, hilft aber bei der Beurteilung einer sehr komplexen Situation wenig und steht vernünftigen Lösungen im Weg. Wir brauchen eine objektive Beurteilung der Lage.
Auch wenn meine Fraktion mit der Bundesregierung sonst nicht immer einer Meinung ist, möchte ich Außenminister Steinmeier beipflichten ich zitiere: "Die Tibeter wollen ihre Kultur bewahren, China will politische Stabilität dafür müssen beide Seiten aufeinander zugehen." In der Beurteilung der Lage wird Staatsminister Erler sogar noch deutlicher, wenn er vor dem Auswärtigen Ausschuss von "Pogromen der Tibeter" gegenüber den Chinesen spricht. Genau aus diesem Grund ist es richtig, Herr Staatsminister, dass der Aufruf zum Gewaltverzicht an beide Seiten gerichtet ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Insgesamt ist festzustellen, dass derzeit die moderaten Kräfte in der chinesischen Führung das Heft des Handelns in der Hand haben und die Richtung bestimmen. Wir haben heute nicht den Platz des Himmlischen Friedens vor Augen. Was derzeit fehlt, sind zivilgesellschaftliche Lösungsstrategien zur Bewältigung der zweifellos existierenden Spannungen. Unsere Aufgabe ist es, dies alles zur Kenntnis zu nehmen und adäquat darauf zu reagieren.
Überlegungen zu einem Boykott der Olympischen Spiele sind meines Erachtens das genaue Gegenteil. Ein Boykott ist eine Sanktion und damit auch ein Signal. Ein Boykott ist ein Signal, dass der Dialog beendet ist. Das aber hilft einerseits nicht den Menschen in Tibet, und andererseits entledigen wir uns damit unserer Instrumente, nämlich der Dialogmöglichkeiten, wie zum Beispiel des Rechtsstaatsdialoges und des Menschenrechtsdialoges.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir entledigen uns außerdem der vielfältigen kommunikativen Möglichkeiten unserer Institutionen wie zum Beispiel der politischen Stiftungen oder des Goethe-Institutes. Es ist nicht die Zeit, leichtfertig auf diplomatische Mittel zu verzichten. Jetzt geht es darum, ohne belehren zu wollen, die Volksrepublik China bei der Erarbeitung zivilgesellschaftlicher Lösungsstrategien zu unterstützen.
Der Journalist und ausgewiesene China-Experte Georg Blume hat in einem taz-Artikel unter der Überschrift „Diplomatie statt Drohgebärden“ auf Folgendes hingewiesen: "... in Peking regiert kein menschenverachtendes Willkürregime. Sondern eine Regierung, die gegen die Widersprüche ihres Systems kämpft."
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha! - Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Unglaublich!)
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, im Dialog die offenen Fragen bezüglich der in der chinesischen Verfassung ohnehin fixierten Autonomie Tibets und deren Implementierung in das alltägliche Leben der Menschen zu klären. Dieser Experte ist im Übrigen von den Grünen zur öffentlichen Anhörung des Sportausschusses geladen worden.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieser Dialog muss aber in China stattfinden. Wir können ihn von hier aus konstruktiv begleiten. Voraussetzung für diesen Dialog ist aber, dass die oppositionellen Tibeter klar und ohne Abstriche die territoriale Integrität der Volksrepublik China anerkennen und respektieren, und zwar durch ihre Unterschrift und nicht bloß als Lippenbekenntnis.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt faktisch auf der Ebene eines Staatsbesuches, Herr von Klaeden, hat dazu nicht gerade beigetragen.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieser Empfang war kontraproduktiv und ein Affront gegenüber der chinesischen Seite.
Die Linke hat die Hoffnung, wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass die derzeit stattfindende internationale Menschenrechtsdebatte als Chance verstanden wird, im 60. Jahr der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Verwirklichung der Menschenrechte ein Stück näher zu kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, darf der Dialog mit China nicht abgebrochen werden, vielmehr muss er intensiviert werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)