Zum Hauptinhalt springen

Strategieplanung der EU Kommission für 2009

Rede von Alexander Ulrich,

Alexander Ulrich (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung schreibt in ihrer Stellungnahme zur Strategieplanung: Die Stärkung des sozialen Europas tritt nicht deutlich genug hervor. In einem Land, in dem die Armut zunimmt, in dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz Aufschwungs eine negative Lohnentwicklung haben, in dem Rentnerinnen und Rentner von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden, erlaubt sich die Bundesregierung so eine Stellungnahme. Wie soll denn ein soziales Europa entstehen, wenn die Menschen mit diesem Europa stagnierende Löhne, Massenarbeitslosigkeit, Zunahme der Armut, Einschränkung von Arbeitnehmerrechten, Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und Steuerdumping verbinden?
Weder die Kommission noch die Bundesregierung machen konkrete Vorschläge für ein soziales Europa. Die Strategie zielt weiterhin darauf ab, die Interessen der Konzerne und Banken umzusetzen.
Am Wochenende haben in Ljubljana über 30 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, darunter auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund, für ein soziales Europa demonstriert. DGB-Chef Sommer hat gesagt, mit diesem Europa könne man die Menschen nicht für ein soziales Europa gewinnen. Sie haben dort auch gegen die Europäische Zentralbank und die Finanzminister der einzelnen Länder demonstriert. Die gestrige Entscheidung hat wieder gezeigt, dass es notwendig wäre, dass die Kommission in ihre Strategie aufnimmt, die Europäische Zentralbank zu demokratisieren. Denn es ist arbeitsmarktpolitisch nicht vertretbar, dass man im Gegensatz zu Amerika, das man sich hier einmal zum Vorbild nehmen könnte nicht auch auf Wachstum und Beschäftigung setzt.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Unabhängigkeit mögen Sie nicht, oder?)
Die Kommission will im Vorfeld der Europawahlen die Kommunikation verbessern, unter dem Stichwort: „Europa vermitteln“. Man kann nur sagen: Viel Spaß dabei! Da werden wieder millionenfach Flyer und Broschüren gedruckt, die ein Europa beschreiben, das es in der Wirklichkeit nicht gibt. Viel besser wäre es gewesen, die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen, zum Beispiel, wie es die Linke fordert, durch einen europaweiten Volksentscheid über die Lissabon-Verträge.
(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Gegen die Verträge, meinen Sie?)
Nur durch solche Maßnahmen und mehr Bürgerbeteiligung kann man die Menschen für Europa gewinnen. Es ist sehr interessant, dass Sie, Herr Steenblock, auch in dieser Woche im Ausschuss gesagt haben, Sie seien für mehr direkte Demokratie. Aber wenn es um eine konkrete Tatsache geht, halten sich auch die Grünen davon fern. Es wäre gut, wenn man die direkte Demokratie auch dann wagen würde, wenn man nicht genau weiß, wie die Bürgerinnen und Bürger entscheiden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Kommission betont in ihrer Strategie die ungute Entwicklung der Finanzmärkte sowie der Rohstoffpreise. Der Schlussfolgerung der Kommission, die Strukturreformen müssten fortgesetzt werden, können wir zustimmen. Allerdings brauchen wir ganz andere Strukturreformen, als sie der Kommission vorschweben.
Der IWF befürchtet eine Systemkrise der Finanzmärkte und die Vernichtung von 1 Billion US-Dollar. Das blinde Vertrauen überforderter Politiker in Finanzinvestoren und Manager öffentlicher Landesbanken war nicht gerechtfertigt. Die Kommission sollte daher Initiativen zur Regulierung der Kapitalmärkte ergreifen.
Die Finanzkrise hat aber auch Ursachen in der realen Wirtschaft und Europa. Kommission und Bundesregierung haben sich viel zu lange geweigert, sich dafür auszusprechen, dass auch der größte Binnenmarkt der Welt Verantwortung für die globale Entwicklung übernimmt. Die USA waren unter dem Druck der Handelsbilanz überfordert.
Die Aufwertung des Euro ist auch eine Folge der manischen deutschen Wettbewerbsfähigkeit.
(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Was ist das? Was war das? - Lachen des Abg. Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU))
Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken bestätigt, dass die Ursachen der Währungsturbulenzen die Ungleichgewichte im Außenhandel sind.
(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Sie wissen doch gar nicht, was Markt ist!)
Was fällt der Regierung dazu ein? Der Export muss noch wettbewerbsfähiger werden - und dies vor dem Hintergrund einer drohenden Weltwirtschaftskrise. Mit Verlaub: Dies ist mit den Gesetzen der Logik nicht mehr zu vereinbaren.
(Kurt Bodewig (SPD): Das gilt auch für Ihre Rede!)
Die Entwicklung der Rohstoffpreise hat gezeigt: Der Wettbewerb auf den Energiemärkten und die deutsche Ordnungspolitik sind gescheitert. Die teuren Energienetze sind ein natürliches Monopol. Sie gehören in die öffentliche Hand, damit sich private Konzerne nicht weiter auf Kosten unserer Volkswirtschaft bereichern.
(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Wie in der DDR! Da hat es sich „bewährt“! - Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Da kann man gleich alle Klischees abarbeiten!)
Nur so kann der Staat überhaupt wieder Einfluss auf die Energiepolitik und den Klimawandel nehmen.
Zu Recht befürchtet die Kommission, dass die nationalen Einnahmen aus dem Emissionshandel zur Subvention von CO2-intensiven Unternehmen missbraucht werden. Wir benötigen daher eine Ausweitung des europäischen Anteils an den Einnahmen, um mit diesem Geld im großen Stil regenerative Energien in Europa zu fördern. Die CDU/CSU sollte nicht dagegen argumentieren. Denn sogar Herr Koch will Hessen zu einem Musterland für regenerative Energien machen. Sie könnten seinem Beispiel im Bundestag folgen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Galileo-Projekt ist die Fortsetzung des Transrapids mit anderen Mitteln. Es werden 3,4 Milliarden Euro für ein überflüssiges Spielzeug der Kommission ausgegeben, das durch GPS II längst überholt wurde.
Lassen Sie mich zum Ende noch etwas zum „Rüffert-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs sagen. Nun darf bei öffentlichen Aufträgen maximal der Mindestlohn verlangt werden. Der Mindestlohn wird so zum Höchstlohn. Der Vorsitzende der IG BAU, Wiesehügel die Kollegen von der SPD sollten ihn noch kennen; denn er war in der vorletzten Legislaturperiode noch Mitglied ihrer Fraktion , hat dies zu Recht Raubtierkapitalismus genannt, der die Menschen von Europa entfremdet.
Wir unterstützen daher den Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Schulz, die europäischen Verträge zu ergänzen. Angesichts dieses Vorschlags ist meine Bitte, dass in 14 Tagen die „ganz große“ Koalition aus FDP, Grünen, CDU/CSU und SPD nicht mit der Ratifizierung der Lissabonner Verträge ein unsoziales Europa zementieren sollte.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)