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Steuerbürokratieabbaugesetz: Gesetztitel hält nicht, was er verspricht

Rede von Barbara Höll,

Rede zur zweiten und dritten Beratung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieabbaugesetz)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): "Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieabbaugesetz)" - schon dieser Titel weckt irreführende Erwartungen, die im Eingangstext des Entwurfs auch noch bestätigt werden. Das Bundesfinanzministerium verbreitet damit den Anschein, einen entscheidenden Durchbruch zu mehr Steuervereinfachung erreicht zu haben. Diesem Anschein wird das vorliegende Gesetz nicht gerecht.

Das Ziel der Steuervereinfachung steht mit dem der Steuergerechtigkeit zum Teil in Einklang, zum Teil in Widerspruch. Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass dort, wo ein Überborden an Steuerbürokratie festzustellen ist, dies im Steuerrecht selbst mit seinen unzähligen Sonderregelungen und Ausnahmetatbeständen begründet ist. Diese überbordende Komplexität des Steuerrechts führt dazu, dass viele Menschen mangels Zeit oder Einblick ihnen zustehende Vergünstigungen nicht wahrnehmen und somit zu viel Steuern bezahlen. Das betrifft insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie kleine Selbstständige, die sich keine Steuerberatung leisten können oder wollen. Insofern trägt die Komplexität zur Steuerungerechtigkeit bei.

Andererseits spiegelt die Komplexität des Steuerrechts auch die zunehmende Komplexität des Lebens und die Vielfalt der Lebensformen wider. Steuergerechtigkeit im Sinne von steuerlicher Gleichbehandlung heißt auch, dass Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Daher sollten notwendige individuelle Aufwendungen im Steuerrecht berücksichtigt werden. "Einfach" und "leistungsgerecht" stehen so in einem gewissen Widerspruch zueinander.

Dennoch gibt es Ansatzpunkte für Vereinfachungen. Viele Sonderregelungen und Ausnahmetatbestände sind überholt oder das Ergebnis von durchgesetzten Sonderinteressen. Ein prominentes Beispiel ist das Ehegattensplitting, das aus gleichstellungs-, familien- und sozialpolitischen Gründen nicht mehr zeitgemäß ist. Die ausschließliche Berücksichtigung von Ehegatten privilegiert diese ungerechtfertigt gegenüber anderen Lebensweisen. Die Streichung von ungerechtfertigten Sonderregelungen und die Einführung von realistischen Pauschalbeträgen wäre ein gangbarer Weg zur Steuervereinfachung.

Doch wer solches im vorliegenden Gesetzentwurf sucht, wird herbe enttäuscht. Leider geht der Entwurf über verfahrensrechtliche Regelungen nicht hinaus - materiellrechtliche Steuervereinfachungen sind ausgesprochen dünn gesät. Es werden vielmehr Fragen des Datenaustauschs behandelt und die Neufestsetzung von bestimmten Betragsgrenzen vorgenommen. Insofern wurde dieses eher an technischen Fragen orientierte Gesetzeswerk mit einem ausgesprochen großspurigen Titel versehen.

Trotzdem meint die Bundesregierung, mit dem Gesetz Steuerverwaltung und Wirtschaft um viele Millionen Euro zu entlasten. So sollen damit alle Unternehmen verpflichtet werden, ab 2011 ihre Steuererklärungen auf elektronischem Wege an die Finanzbehörde zu übermitteln. Aufseiten der Finanzämter soll die elektronische Übermittlung eine computergestützte Vorabprüfung ermöglichen und somit die Finanzbeamtinnen und -beamten entlasten. Zugleich wird dies als ein effektiverer Steuervollzug verkauft, der dauerhaft und verlässlich staatliche Einnahmen sicherstellen soll. Aber ob das so funktioniert, darf bezweifelt werden. Die Vielzahl an Steuerrechtsänderungen konnte oftmals nicht rechtzeitig in die elektronischen Programme eingearbeitet werden. In den vergangenen Jahren waren Neuerungen durch das Bundesfinanzministerium lausig vorbereitet, sodass sie viel Nacharbeit und Kosten verursacht haben - nicht zuletzt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzverwaltung.

Im Detail kann festgehalten werden: Trotz der Neuformulierung von § 150 Abs. 8 AO sind die Ausnahmetatbestände, um auf eine elektronische Übermittlung verzichten zu können, zu unpräzise formuliert und damit weitgehend ins Ermessen der Finanzverwaltung gestellt. Mit der klaren Benennung von Gewinn-, Umsatz- und/ oder Betriebsgrößen hätte zumindest geregelt werden können, wann die Finanzverwaltung einem Antrag auf Ausnahme unbedingt stattzugeben hat. Damit ist ein wesentlicher Kritikpunkt aus der Sachverständigenanhörung nicht ausgeräumt. An den vorliegenden Änderungsanträgen ist zu begrüßen, dass mit der erstmaligen Anwendung der elektronischen Übermittlung der Bilanzen sowie der Gewinn- und Verlustrechnung mehr Flexibilität ermöglicht wird. Erfreulich ist auch, dass das Unterschriftenprozedere für unmittelbar bei der Altersvorsorge zulageberechtigte Ehegatten vereinfacht wurde. In der Gegenäußerung der Regierung zur Stellungnahme des Bundesrates war zu lesen, dass man die Möglichkeit zur Selbstveranlagung - § 150 Abs. 8 AO - prüfen wolle. Ich stelle mit Erleichterung fest, dass dieses Ansinnen - im Gegensatz zum Referentenentwurf - keinen Eingang in das Gesetz gefunden hat. Insbesondere vor dem Hintergrund der ungenügenden Personalausstattung bei den Finanzbehörden hätte eine Steuerumgehung in größerem Ausmaß nicht ausgeschlossen werden können.

Summa summarum bringt der Gesetzentwurf eine leichte Vereinfachung für die Finanzverwaltung und kaum nennenswerte Verbesserungen für die Steuerpflichtigen. Geringfügige Verbesserungen und die nicht aufgegriffene berechtigte Kritik am Ermessensspielraum der Finanzverwaltung sowie der großspurige und damit irreführende Gesetzestitel sind letztlich Grund für die Fraktion Die Linke, sich der Stimme zu enthalten.