Zum Hauptinhalt springen

Statt "zivil-militärischer Zusammenarbeit" - Mehr Mittel für eine aktive zivile Friedenspolitik!

Rede von Heike Hänsel,

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., kritisiert in der Debatte um den Bundeshaushalt 2007 die sog. zivil-militärische Zusammenarbeit und fordert stattdessen mehr Mittel für zivilen Friedensdienst und Vereinte Nationen:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen der Haushaltsdebatte ziehen wir heute auch Bilanz über ein Jahr große Koalition. Wie sieht es da in der Entwicklungspolitik aus? Mein bleibendster Eindruck ist - ich bin neu im Parlament -, dass wir im Entwicklungsausschuss sehr häufig über die Beteiligung an Militäreinsätzen als Beitrag zur Entwicklung abstimmen mussten. Vor ein paar Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Insofern hat die Enttabuisierung des Militärischen, wie es Gerhard Schröder formuliert hat, wirklich gegriffen. Sie ist vollzogen und wird von der großen Koalition konsequent weiter betrieben. Das neue Zauberwort dabei heißt „zivil-militärische Zusammenarbeit“.

Herr Struck hat sich heute Morgen über die Bemerkung von Gregor Gysi empört, deutsche Soldaten seien in Kriegseinsätzen. Er hat gesagt, das sei falsch, die Soldaten seien in Friedensmissionen und würden Aufbau- und Entwicklungshilfe leisten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Ich muss sagen: Das ist eine recht plumpe Manipulation der öffentlichen Meinung.

(Beifall bei der LINKEN - Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Unglaublich!)

Ich möchte den Satz wiederholen, den ich hier bereits vor einem Jahr gesagt habe: Soldaten sind keine Entwicklungshelfer.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt nach wie vor. Was macht zum Beispiel das Kommando Spezialkräfte in Afghanistan? Wir sind nicht darüber informiert, was dort gemacht wird und ob diese Spezialtruppe zurzeit in Afghanistan ist oder nicht, und zwar deswegen, weil sie einen Kampfauftrag hat, weil sie im Kriegseinsatz ist und es zu gefährlich wäre, uns darüber zu informieren. Soldaten sind zuallererst dazu ausgebildet, Menschen zu töten.

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das ist doch dummes Zeug! Unglaublich!)

Sie können auch getötet werden. Wer im Bundestag die Hand dafür hebt, Soldaten ins Ausland zu schicken, nimmt dies in Kauf.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies muss man im Zusammenhang mit der Diskussion, ob deutsche Soldaten in den Süden Afghanistans gehen sollen oder nicht, klar sagen. Wer Ja zum Einsatz von Soldaten im Ausland sagt, kann sich nicht vor den Konsequenzen drücken, die das nach sich zieht. Genau deshalb halte ich die Vermischung von Militäreinsätzen mit Aufbau- und Entwicklungshilfe für fatal. Die Soldaten in Afghanistan sind in unseren Augen nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb fordern wir den sofortigen Abzug der Soldaten aus Afghanistan.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Land gehört noch immer zu einem der ärmsten der Erde. Es wurde berechnet, dass der Westen für diesen Militäreinsatz in den letzten Jahren insgesamt mehr als 82 Milliarden Euro ausgegeben hat, während für die zivile Entwicklung und für den Aufbau des Landes gerade einmal 7 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt wurden.

Die zivil-militärische Zusammenarbeit ist eine Illusion; denn das Zivile muss immer zu Gunsten des Militärischen zurückstecken.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Je mehr Geld man in den militärischen Bereich investiert, desto weniger bleibt für die zivile Entwicklung übrig. Das ist eine logische Folgerung. So können die Herzen der Menschen in Afghanistan nicht gewonnen werden, die ohne Strom, Wasser und Gesundheitsversorgung leben und keine Arbeit haben, aber tagtäglich gut ausgerüsteten und rundum versorgten Soldaten begegnen.

Deshalb haben wir uns für den Abzug der Soldaten aus Afghanistan eingesetzt. Die dadurch frei werdenden Haushaltsmittel wollen wir umwidmen und sie in den zivilen Aufbau des Landes investieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die beste Form von Sicherheitspolitik, Herr Königshaus. Unser Antrag geht am weitesten; denn wir streben eine grundsätzlich andere Ausrichtung der deutschen Außenpolitik an.
Frau Merkel hat heute Vormittag das Modell der zivil-militärischen Zusammenarbeit angesprochen. Die Militär-, die Außen-, die Wirtschafts- und die Entwicklungspolitik sollen das zukünftige Standardmodell für Auslandseinsätze darstellen. Auch Herr Steinmeier hat sich in letzter Zeit vermehrt dafür ausgesprochen. Im Grunde ist das aber nichts anderes als eine moderne Form von Militäreinsätzen bzw. eine Art Interventionismus light. Denn es handelt sich nach wie vor um Militäreinsätze, mit denen die deutschen Interessen verfolgt werden sollen. Im Weißbuch, in dem neuen strategischen Konzept der Bundeswehr, ist sogar die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen bzw. zu Energie insgesamt als vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland definiert.

(Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Wie lange sprechen Sie eigentlich noch?)

Die Entwicklungspolitik verkommt dabei in zunehmendem Maße zum strategischen Anhängsel der Sicherheitspolitik. Wir lehnen solche integrierten Militäreinsätze, die in Zukunft vermehrt im Rahmen der EU stattfinden sollen, ab. Stattdessen setzen wir uns dafür ein, eine aktive zivile Friedenspolitik zu betreiben, die mehr als nur Sicherheitspolitik ist.

(Beifall bei der LINKEN - Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Erzählen Sie das mal den vergewaltigten Frauen in Afrika!)

Zu diesem Zweck müssen in unseren Augen auch im Haushalt die richtigen Weichen gestellt werden, sowohl was die Ausweitung des zivilen Friedensdienstes angeht, als auch was die Finanzierung der UN-Organisationen betrifft, die sich um Entwicklung, humanitäre Hilfe und zivilen Aufbau bemühen. Dazu haben wir zahlreiche Anträge gestellt. Insofern muss ich sagen: Es ist für mich politisch nicht nachvollziehbar, warum die im Haushalt 2007 ursprünglich vorgesehene Erhöhung der Beiträge, die an die Vereinten Nationen und an den Global Fund gezahlt werden sollten, von den Haushaltspolitikern zurückgenommen wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Als ich vor kurzem gemeinsam mit einer Delegation die Vereinten Nationen besucht habe, wurden wir überall gefragt, warum Deutschland im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft nur so geringe Beiträge an die Vereinten Nationen zahlt. Es gibt zum Beispiel einen neu eingerichteten Nothilfefonds, an dem sich 60 Länder, darunter viele Entwicklungsländer, beteiligen. Deutschland zahlt in diesen Fonds keinen einzigen Cent. Das ist ein Skandal. Meiner Meinung nach wäre es viel besser, wenn Deutschland seine internationale Verantwortung im zivilen Bereich wahrnehmen würde, statt Soldaten in alle Welt zu schicken. Genau das fordern wir auch ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mittel des Einzelplans 23 und angesichts der steigenden ODA-Quote möchte ich darauf hinweisen - auch das habe ich bereits mehrfach kritisiert -, dass die Entschuldung bei der Berechnung der ODA-Quote nach wie vor angerechnet wird. Das ist nicht zulässig. Die OECD hat berechnet, dass die ODA-Quote deutlich niedriger wäre, wenn die Entschuldung nicht angerechnet würde. Dieses Vorgehen ist nicht legitim. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mittel im Verteidigungshaushalt umgeschichtet werden und mehr Geld für die Entwicklungspolitik zur Verfügung gestellt wird. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir haben dazu viele Vorschläge erarbeitet. Aber es ist nicht legitim, die Entschuldung bei der Berechnung der ODA-Quote anzurechnen.

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die auch in den heutigen Debatten mehrfach erwähnte G-8-Präsidentschaft und auf die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands eingehen. Im Etat des Einzelplans 23 wurden mehr als 4 Millionen Euro für Konferenzen und Kongresse angesetzt. In meinen Augen wäre es die beste entwicklungs- und friedenspolitische Initiative, dieses Geld für Kongresse zu streichen und es umzuwidmen für die Erreichung der Millenniumsziele, für die Bekämpfung von Armut und Hunger und den Klimaschutz. Den G 8-Gipfel können wir uns sparen.

(Beifall bei der LINKEN)

Er ist nur die Zusammenkunft der reichen und mächtigen Staaten, die ohne jegliche Legitimation weit reichende Entscheidungen bezüglich Weltwirtschaft und neuer Militäreinsätze treffen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.

Heike Hänsel (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss. - Wir brauchen ernsthafte Initiativen für weltweite Abrüstung und einen umfassenden Klimaschutz. Dafür haben wir viele Vorschläge gemacht. Viele Menschen vernetzen sich weltweit in diesem Zusammenhang. Ich sage Ihnen: Viele Menschen werden nächstes Jahr beim G 8-Gipfel dafür auf die Straße gehen. Wir werden dabei sein.
Danke.

(Beifall bei der LINKEN)