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Statt Fluchtursachen zu bekämpfen, schaffen sie permanent neue

Rede von Sevim Dagdelen,

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Niema Movassat, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Fluchtursachen bekämpfen Drucksache 18/7039

 

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung redet viel davon, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Wenn wir uns aber anschauen, was sie wirklich tut, muss man feststellen: Es geht der Union - leider aber eben auch der SPD - allein um die Einschränkung von Fluchtmöglichkeiten.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Karamba Diaby (SPD): Das ist aber einseitig!)

Wo es eine Landgrenze gibt, wie zwischen Griechenland und der Türkei, werden auch auf Wunsch der Bundesregierung regelrechte Sperranlagen gebaut

(Katja Kipping (DIE LINKE): Ja!)

oder die bestehenden erhöht. Mit militärischen Maßnahmen auf See werden Flüchtlinge gezwungen, immer gefährlichere und damit auch lebensgefährliche Wege in Kauf zu nehmen. Insofern ist die Aussage in der gestrigen Rede der Bundeskanzlerin, dass Abschottungspolitik keinen Platz im 21. Jahrhundert habe, schlicht die Unwahrheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Aussage von ihr ist unehrlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir Linke auch: Bekämpfen Sie tatsächlich die Fluchtursachen, nicht die Flüchtlinge und auch nicht die Fluchtmöglichkeiten. Hören Sie auf mit Ihrem Festungsbau. Versuchen Sie auch nicht, den Leuten einzureden, dass sich mit Abschiebungen von Roma in das Kosovo oder von Kriegsflüchtlingen nach Afghanistan mitten im Winter das Problem lösen würde.

(Beifall bei der LINKEN - Michael Brand (CDU/CSU): Wer sagt das?)

Das ist eine menschenverachtende Abschiebepolitik. Sie soll suggerieren, dass dadurch weniger Flüchtlinge nach Deutschland oder Europa kommen würden. Aber auch das stimmt eben nicht. Das wissen Sie. Deshalb ist es auch eine menschenrechtliche Bankrotterklärung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung redet viel von der Bekämpfung von Fluchtursachen und schafft allein durch ihre militärische Außenpolitik jeden Tag neue. Sie liefern weiter Waffen an das saudische Königreich, das im Jemen mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung bombardiert. Sie haben damit Deutschland indirekt zur Kriegspartei im Jemen gemacht.

(Michael Brand (CDU/CSU): Unverschämtheit!)

Ich sage Ihnen: Sie tragen auch Mitverantwortung dafür, wenn die 5 Millionen Binnenflüchtlinge im Jemen, die es jetzt schon gibt, sich aufgrund dieses Krieges auf den Weg nach Europa machen. Deshalb müssen Sie endlich aufhören, die Diktaturen am Golf wie Saudi-Arabien, die Emirate oder auch Katar mit Waffen zu beliefern, die mit eben diesen Waffen in der Region Kriege führen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Beenden Sie auch Ihre Politik des Sturzes von unliebsamen Regierungen an der Seite der USA.

(Michael Brand (CDU/CSU): Wollen Sie die Diktatoren?)

Das schafft jeden Tag wieder Fluchtgründe, ebenso wie Ihre Rüstungsexporte in die Region. Ich finde, wer Fluchtursachen ernsthaft und seriös bekämpfen möchte - also das Gegenteil von dem, was Sie machen -, der muss sich für eine friedliche Wende in der Außenpolitik einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Kalauer des Tages!)

Sonst ist alles nur Gerede, um die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen.

(Michael Brand (CDU/CSU): Sie waren für Milosevic und sind für Assad!)

Dazu passt auch: Während wir hier debattieren, lässt der türkische Präsident Erdogan, Ihr Partner, im Osten der Türkei Panzer auffahren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Linke gefährdet Menschenrechte!)

Ganze Regionen werden dort belagert, es gibt Ausgangssperren. Ich habe mit der von der Zentralregierung abgesetzten Oberbürgermeisterin Leyla Imret, die eigentlich aus Deutschland kommt, in Cizre telefoniert.

(Michael Brand (CDU/CSU): Sie waren immer für die lupenreinen Demokraten: Milosevic, Assad und Putin!)

Sie sagt: Wir haben Angst, dort lebend herauszukommen. - Das macht Präsident Erdogan, der Präsident, der seit Jahren den IS und andere islamistische Terrormilizen wie Ahrar al-Scham in Syrien mit Waffen beliefert. Das wissen Sie.

Was macht die Bundesregierung? Erdogan führt einen Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung, und sie schließt mit diesem Mann einen Pakt zur Flüchtlingsabwehr, mit einem Mann, der jeden Tag aufs Neue Menschen dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen.

(Katja Kipping (DIE LINKE): Hört! Hört!)

Sie schließt einen Pakt mit dem Mann, der Flüchtlinge wieder nach Syrien und in den Irak abschiebt oder in Haftlager sperrt. Ich finde, das zeigt nur, dass Sie gar keinen moralischen Kompass mehr haben. Diese Politik ist einfach nur beschämend und schändlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Jeder vernünftige Mensch muss gegen diese Politik aufstehen. Ich bitte Sie nur um eines am Schluss: Wenn am Ende infolge Ihrer Politik Tausende vor dem Krieg in der Türkei fliehen, dann vergießen Sie keine Krokodilstränen darüber, dass die Flüchtlinge nach Deutschland kommen; denn mit Ihrer Unterstützung für Erdogan haben Sie selbst mit auf die Kurden angelegt, meine Damen und Herren. Das müssen Sie mitnehmen.

(Beifall bei der LINKEN - Michael Brand (CDU/CSU): So eine Ideologie!)