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Stärkung der maritimen Wirtschaft darf nicht zu Lasten der Umwelt gehen

Rede von Lutz Heilmann,

Zur Debatte über die maritime Wirtschaft sagte Lutz Heilmann: Die Koalition will die Stärkung der Maritimen Wirtschaft, ist umweltpolitisch aber vollkommen unterbelichtet. Weder die Hochwassergefahren durch das weitere Ausbaggern von Elbe und Weser, noch der Meeresschutz spielen darin eine Rolle. Bei Stromversorgung von Schiffen geht die Koalition auf Tauschstation. Es gibt dabei aber eine Reihe offener Fragen, die so schnell wie möglich geklärt werden müssen, um keine weitere Zeit zu verlieren.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Staatssekretärin, ich bin enttäuscht. Sie haben in Ihrer Rede nicht ein einziges Mal das Wort „Umwelt“ gebraucht,

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Da haben Sie aber nicht zugehört, Herr Kollege!)

und das, obwohl der Bereich, über den wir hier sprechen, eindeutig von der Umwelt geprägt wird. Sie haben damit sogar ein Interview, das Sie kürzlich in der Zeitschrift „Deutsche Seeschifffahrt“ gegeben haben, getoppt. Sie haben gezeigt, wohin die Reise mit Ihnen gehen wird.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Aufwärts!)

Die Linke sieht die Frage der maritimen Wirtschaft als einen Komplex. DIE LINKE. ist für die Stärkung und Sicherung der maritimen Wirtschaft, für den Erhalt der Werften und für den Ausbau der Meerestechnik.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Damit wird Deutschland gerettet!)

DIE LINKE. ist aber auch und insbesondere für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Das „Bündnis für Beschäftigung und Ausbildung in der Seeschifffahrt“ ist hierfür ein gutes Beispiel. Bei den Häfen sieht es nicht so gut aus. Seit Jahren wird dort Arbeitsplatz für Arbeitsplatz abgeschafft. DIE LINKE. steht für den Erhalt der Lebensgrundlagen. Wir sind für Artenvielfalt und den Erhalt der Küsten und Inseln.

Wird der Antrag der Koalition diesen Anforderungen gerecht? Wir sagen Nein. Sie schreiben zwar ein Bekenntnis zur nachhaltigen Entwicklung hinein, der Umweltbereich bleibt aber im Weiteren völlig unterbelichtet. Die Frau Staatssekretärin hat den Klimawandel nicht ein einziges Mal erwähnt; die Kollegin von der SPD hat das wenigstens kurz angesprochen.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Man muss doch nicht in jeder Rede den Klimawandel erwähnen!)

- Doch, der Klimawandel beschäftigt die gesamte Gesellschaft und ist zurzeit das herausragende Thema. Gestern Abend sprach Umweltminister Gabriel in der ARD dazu. Vielleicht hätten Sie da einfach einmal reinschauen sollen.

(Beifall des Abg. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE))

Für mich als Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein haben Umweltprobleme im Zusammenhang mit der maritimen Wirtschaftspolitik eine herausragende Bedeutung; denn der steigende Meeresspiegel bedroht die Menschen. Deshalb müssen der Hochwasserschutz und der Küstenschutz absoluten Vorrang haben.

(Beifall des Abg. Dr. Axel Troost (DIE LINKE))

Wer im Januar mitbekommen hat, dass am Hauptbahnhof ein Stahlträger abgefallen ist, wird auch mitbekommen haben, dass der Sturm „Kyrill“ erhebliche Schäden an den Küsten Schleswig-Holsteins angerichtet hat. Wir sprechen hier über den Schutz der Bäume und der Inseln, zu allererst aber vom Schutz der Gesundheit der Menschen und des Lebens.

Nun einige Gedanken zu Themen in Ihrem Antrag.
Zum Thema Hafen. Auch wir haben nichts gegen den Ausbau von Häfen, aber wir fordern - das ist seit langem überfällig - von der Bundesregierung ein Seehafenkonzept,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

in dem die Struktur der Häfen im Einzelnen festgelegt und eine Antwort auf die Frage, welche Häfen es geben soll, gegeben wird. Wir fordern einen Tiefwasserhafen in der Bundesrepublik. Er soll bitte schön in Wilhelmshaven liegen.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Aha!)

Bis dahin und darüber hinaus, bis die Bundesregierung endlich ein Seehafenkonzept vorlegt, wenden wir uns gegen jegliche Ausbaumaßnahmen an Elbe und Weser.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Aha!)

Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich nennen möchte, ist der Meeresumweltschutz. Sie erwähnen ihn in Ihrem Antrag. Substanzielle Aussagen dazu treffen sie allerdings nicht: kein Wort zum Grünbuch der EU zur Meerespolitik, kein Wort zur Meeresschutzstrategie und kein Wort zu einer möglichen Meeresschutzrichtlinie der Europäischen Union. Meeresumweltschutz wird so nicht gemacht. Wir brauchen großflächige Schutzgebiete. Wir brauchen keine Hochrisikotechnologien: die Nutzung von Methanhydrat oder die Verpressung von CO2 im Meer.

Da muss ich Ihnen ausdrücklich widersprechen, Frau Kollegin Wetzel. Gestern führte der Umweltausschuss des Bundestages eine Anhörung durch. Dort sprachen sich zwei Sachverständige ausdrücklich gegen die Verpressung von Kohlendioxid in tiefe Meeresschichten aus, da dies unabsehbare Schäden für das Meeressystem haben könnte. Vielleicht sollten sie einmal an solchen Veranstaltungen teilnehmen.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Sie ist ständig da!)

Ein letzter Bereich, den ich ansprechen möchte, sind die Schiffsemissionen. Schiffsemissionen haben einen erheblichen Anteil an der Feinstaubbelastung in Hafenstädten. Glauben sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. In Lübeck sind es 65 Prozent; das ist meine Heimatstadt. Wir sprechen hierbei über den Schutz der Gesundheit der Menschen. Deshalb sind schnelle und effektive Maßnahmen notwendig. Auch hier möchte ich Ihnen wieder ausdrücklich widersprechen, Frau Kollegin: Es geht nicht darum, dass wir uns hinter internationalen Absprachen und Abkommen verstecken. Wir müssen jetzt handeln. Die Bundesrepublik sollte nach meinem Dafürhalten hier eine Vorreiterrolle einnehmen.

Bündnis 90/Die Grünen sprechen in ihrem Antrag eine Möglichkeit zur Senkung der Emissionen bei Schiffen an: die landseitige Stromversorgung der Schiffe. Also, Schiffe ganz einfach an die Steckdose? So einfach geht das nicht. Sie machten das richtig deutlich, Frau Kollegin. Woher soll der Strom kommen? Wollen wir neue Kohlekraftwerke bauen oder gar wieder ins Atomzeitalter zurück? Sind die Netze, die den Strom zu den Häfen bringen, überhaupt dafür ausgelegt? Wollen wir eventuell die landseitige Stromversorgung durch eine Befreiung oder eine Ermäßigung bei der Stromsteuer fördern? Das sind Fragen, die wir alle besprechen und klären müssen, bevor wir das ganz konkret angehen. Es gibt noch weitere Maßnahmen, zum Beispiel emissionsabhängige Hafengebühren. In Schweden sind sie seit 1998 üblich. Warum nicht in Deutschland?

Lassen Sie mich ein Fazit ziehen: Der Antrag der Koalition leistet keinen aktiven Umweltschutz. Er ist rückwärtsgewandt und technologiegläubig. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie haben mit diesem Antrag wieder einmal gezeigt, dass Sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist das denn bei Ihnen?)

Deshalb werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Ein letztes Wort zum Antrag der Grünen: Er geht in die richtige Richtung. Wir halten ihn aber für unausgegoren und werden uns daher enthalten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)