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Sozialisierung der Verluste verhindern - Sicherungsfonds für privaten Finanzsektor schaffen

Rede von Herbert Schui,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Sozialisierung der Spekulationsverluste der IKB und der Landesbanken - das fordert die FDP. Nun müssen wir aber eines wissen: Der allergrößte Teil dieser Spekulationsverluste ist bereits sozialisiert. Er ist über das Steueraufkommen, respektive über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, finanziert worden. Jetzt „zeitnah“ und „unverzüglich“ zu verkaufen, wie Sie fordern, bedeutet, im allerschlechtesten Augenblick zu verkaufen, nämlich dann, wenn die Preise für Banken gering sind. Das kann man fordern, wenn man das Interesse von Käufern, von deutschen Großbanken, im Auge hat.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
Dann bekommt das Hand und Fuß. Aber wenn man das Interesse des Verkäufers beachtet, dann wäre „unverzüglich“ und „zeitnah“ genau der falsche Punkt.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
Die Sanierungskosten sollten, wenn man denn schon verkauft - im Falle der Landesbanken bin ich sicherlich nicht dafür -, möglichst hereinkommen.
Ein weiterer Punkt. Insgesamt hat die Debatte über diese Bankenkrise einige kuriose Züge. Halten wir einmal fest: Die privaten Banken haben sich ebenso verspekuliert wie die Landesbanken. Bei den privaten Banken trägt der Aktionär, der Eigentümer, die Kosten - und der Steuerzahler deswegen, weil wegen der Spekulationsverluste weniger Gewinn angefallen ist und infolgedessen weniger Steuern gezahlt werden.
Halten wir weiter fest: Die falsche Geschäftsführung der Landesbanken ist nicht allein die Ursache der Krise dieser Banken. Ein anderer wesentlicher Grund ist die Abschaffung der staatlichen Gewährträgerhaftung für die öffentlichen Institute. Das ist von der EU so gemacht worden. Die Bundesregierung hat sich dem nicht widersetzt; allenfalls hat sie so getan, als ob sie sich widersetzte.
(Beifall bei der LINKEN)
Weil die staatliche Haftung nun fehlt, müssen die Landesbanken bei ihrer Refinanzierung höhere Zinsen zahlen. Das vermindert den möglichen Gewinn. Wenn sie wenig Gewinn haben, dann können sie Verluste aus -wenngleich kritisierenswerten - Geschäften nicht so leicht wegstecken, wie das bei den großen deutschen Geschäftsbanken der Fall ist. Das ist einfach der Dreh.
Kurios ist auch, wenn die FDP die Privatisierung der nun mit viel Geld und Mühe sanierten öffentlichen Institute verlangt, während man an anderer Stelle - beispielsweise Sarrazin, Finanzsenator in Berlin - die Verstaatlichung gefährdeter privater Institute fordert.
(Frank Schäffler [FDP]: Der ist aber nicht FDP-Mitglied!)
Alles zusammen heißt das dann: sanierte Landesbanken privatisieren und gefährdete private Institute verstaatlichen.
(Frank Schäffler [FDP]: Der ist aber SPD-Mitglied!)
- Das weiß ich.
(Martin Zeil [FDP]: Euer Koalitionspartner!)
- Auch das weiß ich.
Überhaupt Ackermann: Der zweifelt an den Selbstheilungskräften, und das Kabinett hat das natürlich als ordnungspolitische Irrfahrt kritisiert. Nun setzt er noch einen drauf und spricht sich gegen die Verbriefung von Krediten aus. Das ist absolute Ketzerei gegenüber einem Bankendogma; denn bis dahin war ein Ketzer, wer gesagt hat, dass die Verbriefung und der Weiterverkauf von Krediten nicht einfach eine Risikostreuung und damit eine Risikominimierung für den einzelnen Marktteilnehmer darstellen, sondern eine beschleunigte Verbreitung des Risikos. Das sagte Ackermann jetzt auch, und Berufserfahrung darf man ihm, glaube ich, nicht absprechen.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
Also, statt Ordnungspolitik und Anrufung heiliger Namen im Krisenfall: Lieber Ordnung im Finanzsektor, damit er stabil bleiben kann. Dazu gehört eine bessere Regulierung.
(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt noch etwas Kurioses: Im Dezember schlug Minister Steinbrück im Verwaltungsrat der KfW die Einrichtung eines Prüfungsausschusses mit Fachleuten aus dem Finanzdienstleistungssektor vor, die sich - Zitat - auch in den Niederungen der Bilanz sehr genau bewegen können.
(Heiterkeit bei der LINKEN)
Was bedeutet das zum Beispiel für den Vizevorsitzenden des Aufsichtsrates der IKB, Detlef Leinberger, der gleichzeitig Mitglied des Vorstandes der KfW ist? Kennt er sich mit Bilanzen nicht so genau aus? Ähnliches gilt für die Nachfolge von Frau Matthäus-Maier. Herr Steinbrück, Sie sagen, da brauchen wir den Sachverstand von Profis. Profis haben nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds weltweit aber 1 000 Milliarden Dollar Verluste gemacht.
(Frank Schäffler [FDP]: Wir sollten Lafontaine nehmen!)
- Nein, Sie aber auch nicht. - Heißt noch mehr Profis noch mehr Verluste, oder was?
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das ordnungspolitische Kartell hat offenbar kein Konzept. Was will die FDP denn unternehmen, wenn den privaten Banken ein Serienbankrott droht? Privatisieren geht nicht, die sind nämlich schon privat. Was wollen Sie denn dann machen?
Herr Dautzenberg, so sehr ich Ihnen im Grundsatz zustimme:
(Florian Pronold [SPD]: Hört! Hört!)
Mit dem Antrag verbreiten wir keine Panik; das wollen wir auch gar nicht. Das Einzige, was wir wollen, ist, dass der Staat Vorkehrungen trifft, damit wir für eine Krise gerüstet sind. Das verhindert Panik.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
Um für eine Krise gerüstet zu sein, muss der private Finanzsektor aus eigenen Mitteln einen Sicherungsfonds gründen, der über den Einlagensicherungsfonds hinausgeht.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wir haben einen Einlagensicherungsfonds der Banken!)
- Man muss einen Schritt weiter gehen. Dieser Fonds reicht nicht aus, weil er nur für private Anleger und bis zu einer bestimmten Höhe greift.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: 30 Prozent des Eigenkapitals!)
- Das ist schon ganz gut.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Sie könnten bei der Deutschen Bank Ihre 7 Milliarden anlegen! Die wären sicher!)
- Na gut. - Missverstehen Sie mich nicht: Ich habe nichts gegen den Einlagensicherungsfonds. Ich glaube aber, dass das Volumen bei großen Gefährdungen nicht ausreicht.
Die Bundesregierung muss die Bildung dieses Fonds veranlassen. Dieser Fonds übernimmt nicht werthaltige Aktiva der gefährdeten Institute und gibt ihnen im Gegenzug Liquidität, soweit sie sie brauchen, oder Wertpapiere, die der Fonds herausgegeben hat, und das mit einem angemessenen Abschlag. Wenn die Institute nach einer gewissen Zeit wieder Gewinne erwirtschaften, dann kaufen sie ihre Aktiva wieder zurück. Im Grunde genommen ist das ein Pensionsgeschäft mit allfälliger Garantie des Staates.
Die ganze Sache hat Sinn; denn, so Bundesbankpräsident Weber, bei der Lösung der Schwierigkeiten sind zunächst die Banken gefordert. Das finde ich auch. Die Banken sind übrigens zu gemeinschaftlichem Handeln bereit. Ich erinnere daran, dass der Einlagensicherungsfonds die Düsseldorfer Hypothekenbank gekauft hat. Das war eine sehr vernünftige Geschichte, weil der Pfandbriefmarkt so in Lot und Waage blieb.
Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der öffentliche Bankensektor. Halten wir einmal fest: Herr Beckstein hat gestern hier gesagt, dass die kommunale Wasserversorgung von Brüssel nicht in Gefahr gebracht werden dürfe. Ähnlich müssen wir die Sache mit der Versorgung mit Finanzdienstleistungen beurteilen;
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
denn wenn der private Sektor Finanzkrisen auslöst - die verbrieften Hypothekenkredite stammen ja aus dem privaten Sektor - und Weltmeister im Versenken von Milliarden ist, dann ist ein stabiler öffentlicher Bankensektor, auf den stets Verlass ist, notwendig. Das ist wichtig.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Schui, Sie müssten jetzt doch zum Ende kommen.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Deswegen muss die Gewährsträgerhaftung wieder her. Dafür sollte sich die Bundesregierung einsetzen. Ich bin sicher, dass sie dafür in Brüssel nicht allein kämpfen würde.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])