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Soziale Ausgrenzung beenden - Anerkennung ausländischer Abschlüsse wirksam regeln

Rede von Sevim Dagdelen,

Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen sowie der Anträge der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Nicole Gohlke, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE "Für eine zügige und umfassende Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen" und "Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse wirksam regeln"

Ob sich nun nach Jahren für die in Deutschland lebende Ärztin aus Russland, die putzen gehen muss, die kamerunische Akademikerin, die trotz Promotion als Küchenhilfe arbeitet, oder den deutschen oder iranischen Ingenieur, der Taxi fahren muss, etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. Sie haben jetzt zwar einen formalen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren für ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen. Doch vielen wird dieser nicht viel bringen. Dafür hat die Bundesregierung mit ihrem inhaltlich und handwerklich unzureichenden Gesetzentwurf gesorgt.

Die Bundesregierung hat die Anerkennung vom Geldbeutel und sozialen Status der Betroffenen abhängig gemacht. Viele Antragsteller müssen mit hohen Kosten – es stehen Kosten von bis zu 5 000 Euro im Raum – für ein Anerkennungsverfahren rechnen – und das bei Menschen, denen man jahrelange Dequalifizierung, Diskriminierung und Ablehnung zugemutet hat. Das ist nicht hinnehmbar.

Erst schiebt die rot-grüne, dann die Große Koalition und jetzt die schwarz-gelbe Koalition diese Menschen in den Niedriglohnsektor ab. Nun sollen die Betroffenen dafür auch noch derartige Beträge zahlen. Das ist zynisch.

Zynisch ist es auch, wenn die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf als großen Wurf feiert. Das ist er keinesfalls. Auf die großspurigen Ankündigungen der Bundesregierung folgt mal wieder die triste Realität ihrer Desintegrationspolitik.

Erinnern wir uns: Bereits 2007 legte Die Linke einen Antrag vor (Drucksache 16/7109). Wir machten Vorschläge zur erleichterten Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Darüber hinaus forderten wir gezielte Angebote zur Ergänzungsqualifizierung und eine Beratungsstruktur. So sollte eine vollständige Anerkennung ermöglicht werden.

Zwei Jahre dauerte es, bis die Bundesregierung überhaupt auf das Problem einging. Im Dezember 2009 legte sie ihre Eckpunkte vor. Erst im März 2011 folgte dann ihr Referentenentwurf bzw. im Juni ihr Gesetzentwurf. Wofür dabei vier Jahre gebraucht wurden, bleibt allerdings vollkommen unklar.

Waren schon die Eckpunkte eine Enttäuschung, ist der Gesetzentwurf für die Betroffenen eine Zumutung. Die Bundesregierung kann erneut nicht einmal ihrem eigenen Anspruch gerecht werden. Und der war ja ohnehin noch nie besonders hoch. Mehr Transparenz und Vereinfachung sollte das Gesetz bringen. Doch das Gegenteil ist und bleibt der Fall: Die Kammern sollen die Anerkennungsverfahren durchführen. Damit ist unverändert eine Vielzahl von Anlaufstellen in 16 verschiedenen Bundesländern für die verschiedenen Berufsgruppen zuständig. Sie haben die Gelegenheit verstreichen lassen, eine einheitliche Bewertungsstelle zu schaffen. Es ist eine Zumutung für die Betroffenen, dass die Bewertung ihrer Qualifikationen dem Zufall des Wohnortes überlassen wird. Da reicht es auch nicht, wenn einzelne Kammern eine zentral zuständige Kammer benennen wollen. Wie und ob ihre angekündigte Datenbank hier Abhilfe schaffen soll, steht ja auch noch in den Sternen. Ich hoffe für die Betroffenen, dass es besser läuft als mit dem dialogorientierten Zulassungsverfahren für Studierende. Die warten nämlich schon seit Jahren. Die Linke prophezeit ihnen: Es wird zwischen den Bundesländern auch weiterhin ungleiche Bewertungsergebnisse gleicher Qualifikationen geben. Und genau das sollte ursprünglich endlich der Geschichte angehören. Das ist wirklich beschämend, dass sie nach so langer Zeit eine so mangelhafte Regelung hier vorlegen.

Im Widerspruch zu den Eckpunkten wollen Sie einen Anspruch auf Beratung gesetzlich nicht verankern. Ihr Gesetz soll kostenneutral bleiben. Sie verweisen auf bestehende Beratungsangebote. Dabei ist doch klar, wo gespart wird, wenn es finanziell eng wird.

Es ist doch völlig absurd, dass das Anerkennungsgesetz ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel wirksam werden soll. Denn es müssen ja erst die notwendige Infrastruktur sowie ein Angebot an Ergänzungs- und Anpassungsqualifizierungen über das schon existierende
hinaus geschaffen werden. Auch hier fehlt aus unserer Sicht eine gesetzliche Verankerung, die nicht nur für die reglementierten Berufe gilt. Die Linke fordert deshalb, 100 Millionen Euro zusätzlich für die Anpassungs- und Ergänzungsqualifikationen zur Verfügung zu stellen. Denn bereits jetzt ist absehbar, dass die aktuellen Mittel den Bedarf nicht decken können.

Es wird deutlich, dass Integration für die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen lediglich eine Floskel ist. Denn wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für die soziale Integration zu schaffen, versagen Sie – und das wissentlich. Lassen Sie endlich den vorwurfsvollen Ton gegen Migrantinnen und Migranten, sie würden sich nicht integrieren lassen! Schüren Sie nicht weitere rechtspopulistische Vorurteile! Verhindern Sie nicht die Integration, sondern ermöglichen Sie diese endlich, indem Sie unserem Antrag zustimmen!