Thomas Lutze (DIE LINKE):
Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Minister Ramsauer, die Menschen kennen Sie als einen Mann deutlicher Worte. Nach drei Jahren Wahlperiode müssen Sie sich auch an Ihren Taten messen lassen.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE))
Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Mobilität einer der wichtigsten volkswirtschaftlichen Faktoren ist. Trotzdem werden die meisten Bürgerinnen und Bürger im Verkehrsbereich durch deutliche Kostensteigerungen belastet.
Punkt eins, die steigenden Kraftstoffpreise. Bei der Mehrwertsteuer zum Beispiel ist der Staat einer der Nutznießer der Abzocke an den Zapfsäulen.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE))
An nur einer Tankfüllung von 50 Litern verdient der Staat allein durch die Mehrwertsteuer heute knapp 6 Euro mehr als noch im Jahr 2004. Hier könnten Sie etwas tun, Herr Ramsauer. Im Haushaltsentwurf dazu finde ich nichts. Frankreich macht es gerade vor: Dort wurden die Kraftstoffpreise um 10 Cent pro Liter gesenkt.
Die Mineralölkonzerne fahren Gewinne ein, die einen vor Neid erblassen lassen. Zwei Beispiele gefällig? Erstes Beispiel: Exxon Mobil dazu gehört auch Esso macht als weltweit größter Mineralölkonzern 41 Milliarden Dollar Gewinn pro Jahr. Zweites Beispiel: Shell, Europas größter Anbieter, steigerte seinen Gewinn im zweiten Quartal 2011 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 97 Prozent. Nein, an den Tankstellen jedenfalls funktioniert das klassische marktwirtschaftliche Prinzip von Angebot und Nachfrage nicht. Wenn die Verkaufspreise täglich um 10 Cent schwanken und wenn es in einem Umkreis von wenigen Kilometern zu Differenzen von bis zu 12 Cent pro Liter kommt, dann hat das nichts mit dem Ölpreis oder dem Dollarkurs zu tun; damit lässt sich das nicht begründen. Als im Juni dieses Jahres der Rohölpreis um 25 Prozent im Vergleich zum Februar sank, gab es an den Zapfsäulen keine Preissenkungen. Beim Dollarkurs das gleiche Bild: Steigt der Dollar, steigen die Spritpreise; fällt der Dollar, passiert nichts.
Ich will Ihnen sagen, was der Hauptgrund für diese Preissteigerungen ist: Es ist die hemmungslose Geldgier der Mineralölkonzerne. Herr Ramsauer, da hilft uns keine Transparenzstelle, wo die Daten nur erfasst werden. Sie müssen die Verkaufspreise staatlich festlegen. Luxemburg zum Beispiel macht das, und Luxemburg ist bekanntlich kein sozialistisches Land. Eine staatliche Behörde muss also jeden Tag den Verkaufspreis festlegen. Dieser Preis muss dann 24 Stunden gelten. Das wird höchstwahrscheinlich nicht die allgemeine Preissteigerung verhindern. Aber das schränkt wenigstens die absurden Preisschwankungen, die täglich auftreten, ein.
Zweites Beispiel sind die steigenden Preise im öffentlichen Nahverkehr. Es wird schnell gesagt: Wenn der Sprit so teuer ist, kann man mit Bus oder Bahn fahren. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir werden zum Jahreswechsel wieder erleben, dass die Preise der Bahn und der regionalen Verkehrsanbieter deutlich anziehen werden. Gerade für Pendler werden die Monatskarten wieder deutlich teurer. Nach wie vor sind die Mobilitätsangebote vor allem im ländlichen Raum und an den Wochenenden lückenhaft. Unsere Kommunen haben zunehmend Probleme, sich den ÖPNV überhaupt zu leisten. Hier darf der Bund nicht weiter kürzen. Sonst bleiben Busse und Bahnen irgendwann im Depot.
(Beifall bei der LINKEN)
Was passiert im Fernverkehr der Bahn, Herr Ramsauer? In der Preispolitik nichts. Kürzen Sie endlich die Mehrwertsteuer auf Fernverkehrsfahrkarten von 19 auf 7 Prozent; das ist in fast allen anderen EU-Staaten üblich. Dann werden wieder mehr Menschen mit der Bahn fahren, und Sie haben aufgrund der gestiegenen Fahrgastzahlen genauso viel Geld in Ihrer Steuerkasse wie zuvor.
(Beifall bei der LINKEN)
Bei Milliardenprojekten wie Stuttgart 21 oder dem Berliner Flughafen scheint Geld keine Rolle mehr zu spielen, aber auch der teure Schienennetzausbau für Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h ist in den letzten Jahren wichtiger gewesen als der Bahnverkehr in der Fläche. Hier sollten Sie, Herr Ramsauer, zumindest in der Zukunft umdenken. Von Bahnchef Grube kamen dazu schon einige Anregungen.
Sie müssen Geld in die Hand nehmen und die über 16 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die täglich als Pendler zum Arbeitsplatz müssen, entlasten. Die Linke fordert eine Erhöhung der Entfernungspauschale von mindestens 10 Cent pro Kilometer. Die letzte Anpassung gab es im Übrigen 2004. Damals kostete der Liter Benzin 1,10 Euro. Außerdem müssen endlich geeignete Voraussetzungen geschaffen werden, damit auch Pendler mit geringem Einkommen davon profitieren.
(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von der Entfernungspauschale profitieren die Besserverdienenden, die das von der Steuer absetzen können!)
Vielleicht hören Sie kurz zu, Herr Kollege von den Grünen. Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass auch diejenigen profitieren, die keine oder nur sehr wenige Steuern bezahlen. Dafür gibt es hier im Parlament leider noch keine passende Initiative. Da sollten wir alle schnell aktiv werden.
(Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Pendlerpauschale ist das falsche Instrument!)
Es kann nicht sein, dass derjenige, der keine Steuern bezahlt, von der Pendlerpauschale nicht profitiert.
Anstatt die sogenannte Elektromobilität zu fördern, sollte das Augenmerk endlich auf den Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge gelegt werden. Gerade wurde der neue Golf vorgestellt, sicherlich ein tolles Auto. Doch beim Spritverbrauch hinkt die Standardvariante mindestens zehn Jahre hinterher. Würde der Gesetzgeber je nach Fahrzeugklasse Verbrauchsobergrenzen für Neuwagenzulassungen einführen, dann hätten Golf, Astra, Focus und wie sie alle heißen längst serienmäßig Dreilitermotoren. Dafür brauchten Sie, Herr Ramsauer, noch nicht einmal einen eigenen Titel im Haushalt. Dafür müssten Sie nur handeln. Unsere Unterstützung hätten Sie dafür.
Ein herzliches Glückauf und vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)